Alternative Wärmeversorgungskonzepte

von Marinus Schnitzlbaumer

Warum sollte man auf diese Technik/Entwicklung umsteigen?

Sollte sich herausstellen, dass nach Ablauf der EEG-Vergütung der klassische Weiterbetrieb der Biogasanlage aus finanzieller Sicht nicht mehr möglich ist, müssen Alternativen gefunden werden, um das Nahwärmenetz weiter mit Wärme zu versorgen. In dieser Handlungsempfehlung werden fünf unterschiedliche Wärmeversorgungskonzepte vorgestellt, die für eine Weiterversorgung des Nahwärmenetzes nach Ablauf der EEG-Förderung in Frage kommen.

Beschreibung der Handlungsempfehlung

Die einzelnen Wärmeversorgungskonzepte wurden für drei verschiedene Dorfgrößenordnungen simuliert und die Wärmegestehungskosten abgeleitet. Zunächst werden die Grundannahmen der Rahmenbedingungen vorgestellt, es folgt eine technische Beschreibung der fünf Szenarien. Eine vergleichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie eine ökologische Untersuchung stellen anschließend die Konzepte zueinander ins Verhältnis.

Rahmenbedingungen Beispieldörfer und technische Annahmen: Basierend auf einer Auswertung der relevanten technischen Daten von insgesamt 170 Bioenergiedörfern (1, eigene Recherchen) wurden für die Szenarien drei Größenklassen definiert, die nachfolgend als kleine Dörfer, mittelgroße Dörfer und große Dörfer bezeichnet werden. Die entsprechenden Wärmebedarfe wurden auf Grundlage der vorhandenen Informationen abgeleitet und sind in Tabelle 1 dargestellt. Als weitere relevante Kennzahlen dienen die Netzlänge und die jährlichen Nahwärmenetzverluste (2). Für die nachfolgenden Auswertungen werden jeweils alle drei dieser Größenordnungen untersucht

Tabelle 1: Größenklasseneinordnung Bioenergiedörfer

Konzept 1 – Rein wärmegeführte Biogasanlage mit
saisonalem Fütterungsmanagement

In diesem Konzept soll untersucht werden, ob der Betrieb einer Biogasanlage auch ohne eine Förderung des produzierten Stromes noch wirtschaftlich ist. Viele Anlagenkomponenten wie beispielsweise der Fermenter und die Gasspeicher müssen in der Regel noch nicht ausgetauscht werden, weshalb zunächst darauf abgezielt werden soll, ob die vorhandene Infrastruktur noch weiter nutzbar ist. Fällt die EEG Förderung für den Strom weg, kann der Betrieb der Biogasanlage auf einen rein wärmegeführten Betrieb umgestellt werden, was über den Jahresverlauf Substratkosten einspart. Das führt im Sommer auch zu einem geringen Anteil an Überschusswärme. Eine wichtige Kennzahl ist dabei der Eigenbedarf an BHKW Abwärme zur Beheizung des Fermenters, welche durch dessen Volumen und die eingesetzten Substratmengen bestimmt wird (3). Tabelle 2 zeigt die für dieses Konzept aus der Simulation mit EnergyPro hervorgegangenen Ergebnisse für die Auslegung der Komponenten und den Anteil der Fermenterbeheizung an dem Gesamtwärmebedarf:

Tabelle 2: Simulationsergebnisse wärmegeführte Biogasanlage + saisonales Fütterungsmanagement

Durch die saisonale Fütterung kann die anfallende Überschusswärme auf ein Minimum begrenzt werden. Über 25 % der produzierten BHKW-Wärme müssen direkt in das System zurückgebracht werden, um die Fermenterbeheizung zu gewährleisten. Als Vorteil ist dem Konzept entgegenzustellen, dass bereits viele Komponenten vorhanden sind und die Neuinvestitionen grundsätzlich nur die BHKWs betreffen, was gegebenenfalls sinnvoller sein kann, als die gesamte Anlage stillzulegen und auf ein neues Konzept umzusteigen.

Konzept 2 – Gülle-Biogasanlage mit Holz aus
Kurzumtriebsplantagen

Wenn keine Vergütung für die Stromeinspeisung mehr möglich ist, kann der Weiterbetrieb der Biogasanlage durch günstig zu beschaffende Substrate eine Möglichkeit sein, Kosten einzusparen. In diesem Konzept soll beispielhaft der Umstieg auf eine reine Fütterung des Fermenters mit Rindergülle als ein Beispiel für ein kostengünstiges Substrat untersucht werden. Im Winter muss ein weiterer Wärmeerzeuger vorhanden sein, da die Energiedichte von Gülle zu gering ist, um bei gleicher Fermenterkapazität ausreichend viel Methan zu erzeugen. Deshalb ist eine Ergänzung durch ein Holzheizwerk vorgesehen, das mit Hackschnitzeln aus Kurzumtriebsplantagen (KUP) versorgt wird. Das Anlegen von Kurzumtriebsplantagen kann finanzielle Vorteile bieten, insbesondere, um sich gegen zukünftige Preisanstiege von Energieholz abzusichern. Die Simulation liefert folgende Ergebnisse:

Tabelle 3: Simulationsergebnisse Gülle-Biogasanlage mit Holz aus Kurzumtriebsplantagen

Es ist zu erkennen, dass der Anteil der Fermenterbeheizung am BHKW-Output sehr hoch ist, was die Gesamteffizienz des Systems entsprechend mindert. Während die Bedarfsdeckung an Gülle aus der Umgebung in kleinen Dörfern nach eigenen Untersuchungen noch möglich wäre, so würde es für die mittelgroßen Dörfer bereits zu Engpässen kommen, große Dörfer hätten nur in Ausnahmefällen ausreichend Potenziale vor Ort. Mit jährlichen Deckungsgraden von durchschnittlich 65 % sind die BHKW in der Lage, trotz der geringen Gasausbeuten von Gülle bei gleichen Fermentervolumina noch immer mehr als die Hälfte des jährlichen Wärmebedarfes zu liefern, während die restliche Wärme durch Biomasse- bzw. Spitzenlastkessel zur Verfügung gestellt werden müssten. Insgesamt stellt eine reine Nutzung von Rindergülle also nicht die beste Möglichkeit dar; eine Ergänzung durch andere Reststoffe wie beispielsweise kommunale Bioabfälle wäre zu empfehlen. Dabei gilt es aber zu beachten, dass nur bei einer vollständigen Güllenutzung die Vorgaben zur Gärrestelagerung, nach denen Gärreste 6 Monate lange gelagert werden müssen, aufgehoben sind (§ 9 Abs. 5 EEG). Das bedeutet, dass ggf. weitere Lagerbehälter zugebaut werden müssten, falls über die Gülle hinaus noch weitere Substrate gefüttert werden. Das Anlegen von KUPs kann je nach verfügbarer Fläche und Bodeneigenschaften sinnvoll sein. In Summe ist dieses Szenario für kleinere Dörfer zu bevorzugen, da diese in der Regel ausreichend Gülle vor Ort haben und die notwendigen Flächen für die KUP sich im Rahmen halten.

Konzept 3 – Solarthermie mit Holzheizwerk

Als drittes Konzept soll eine vollständige Substitution der Biogasanlage durch Umstellung auf Solarthermie und Holz untersucht werden. Das Ziel ist es, im Sommer eine nahezu vollständige Bedarfsdeckung mit solarer Wärme zu erreichen, die im Winter oder in Schlechtwetterzeiten durch Bioenergie aus Holzhackschnitzeln ergänzt werden. Typischerweise wird das Kollektorfeld dabei auf einen jährlichen Deckungsgrad von 20 % – 25 % ausgelegt (4). Zusätzlich soll ein Mehrtageswärmespeicher den Deckungsgrad durch Solarthermie erhöhen und dafür sorgen, dass weniger Fläche für Solarthermie benötigt wird. In nachfolgender Tabelle sind die Ergebnisgrößen der Simulation dargestellt.

Tabelle 4: Simulationsergebnisse Solarthermie + Holzheizwerk

Der Einsatz des Biomassekessels kann im Sommer zwar auf wenige Betriebsstunden reduziert werden, muss in länger anhaltenden Schlechtwetterperioden allerdings noch immer zugeschaltet werden. Im Winter ist der Anteil der Solarthermie vergleichsweise gering, kann allerdings teilweise den Einsatz des zusätzlichen Spitzenlastkessels verhindern. Durch die zusätzliche Anschaffung weiterer Wärmespeicher ist insgesamt eine bessere Entkopplung zwischen Erzeugung und Verbrauch gegeben, was den Deckungsgrad der Solarthermie entsprechend erhöht. Aus technischer Sicht ist dieser Ansatz insgesamt zu empfehlen.

Konzept 4 – Solarthermie mit Saisonalspeicher

Eine Erweiterung des vorhergehenden Modells, welches den Einsatz von Holz reduzieren kann, ist die Kombination eines Solarthermiefeldes mit einem Langzeitwärmespeicher, auch Saisonalspeicher genannt. Auch wenn dieses Konzept in Dänemark schon häufig umgesetzt wurde, ist es in Deutschland bislang selten verwirklicht worden. In dieser Betrachtung wurde von einem Erdbeckenspeicher ausgegangen, in dem Wasser in einer Lagune gelagert liegt, die mit einer dünnen, wasserundurchlässigen Folie ausgekleidet und mit einer schwimmenden Wärmedämmschicht abgedeckt ist. Im Sommer wird das Wasser durch die Solarthermieanlagen auf bis zu 90°C erwärmt, so dass es im Winter dazu genutzt werden kann, das Nahwärmenetz zu speisen. Eine Sole/Wasser-Wärmepumpe sorgt dafür, dass die Temperatur im Speicher bis weit unterhalb der Netzrücklauftemperatur abgekühlt werden kann. Die Wärmepumpe wird über ein Heizöl-BHKW im Inselbetrieb mit Strom versorgt, dessen Abwärme zusätzlich in das Nahwärmenetz eingetragen wird. Ein solch komplexes System muss in der Regel mithilfe aufwändiger dynamischer Modelle simuliert werden. Mithilfe eines Excel Tools konnte die Auslegung der unterschiedlichen Komponenten angenähert werden, die in nachfolgender Tabelle dargestellt ist:

Tabelle 5: Auslegungsergebnisse unterschiedlicher Komponenten Solarthermie + Saisonalspeicher

In diesem Konzept kann in allen Größenordnungen ein solarer Deckungsgrad von über 70 % erreicht werden, was im Vergleich zu Konzept 2 ohne Saisonalspeicher einer Erhöhung von ca. 50 % entspricht und eine ganzjährige Nutzung von Solarwärme ermöglicht. Der Vorteil, durch den Einsatz von Wärmepumpen eine tiefere Speicherauskühlung und damit einen effizienteren Betrieb zu ermöglichen, führt allerdings dazu, dass ein weiterer Energieträger, in diesem Fall Heizöl eingesetzt werden muss. Alternativ wäre eine Substitution durch Biodiesel für das BHKW denkbar, um fossile Brennstoffe zu vermeiden. Begrenzender Faktor für dieses Konzept könnte das Finden eines geeigneten Standortes für das Solarthermiefeld und den Langzeitwärmespeicher sein. Insgesamt ist das Szenario jedoch empfehlenswert, um eine ganzjährige Versorgung mit Solarthermie umzusetzen, indem sommerliche Wärmeüberschüsse im Winter nutzbar gemacht werden. Damit kann eine größere Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen und damit eine zukunftssichere Wärmeversorgung erreicht werden. Da viele Wärmeerzeuger optimal aufeinander abgestimmt werden müssen, bedarf es für eine erfolgreiche Umsetzung einer sorgfältigen Vorplanung durch ein erfahrendes Planungsunternehmen.

Konzept 5 – Großwärmepumpe mit Kläranlagen-Abwasser
und Holz

Kommunales Abwasser besitzt grundsätzlich große Wärmepotenziale, die bisher noch kaum genutzt werden. Mit Wärmepumpen kann aus den jährlich vergleichsweise hohen Temperaturen des Abwassers, die nicht stark schwanken (12 – 20°C), die Energie entzogen und über ein Nahwärmenetz zur Beheizung der Gebäude nutzbar gemacht werden (5). Dabei gibt es die Möglichkeiten, in den Kanalnetzen oder am Auslauf der Kläranlagen Wärmetauscher zu installieren bzw. das gereinigte Abwasser direkt in die Wärmepumpen zu leiten. In diesem Konzept soll die Nutzung von gereinigtem Kläranlagen-Abwasser untersucht werden. Da Kläranlagen typischerweise außerhalb der Dörfer liegen, müssen oft größere Distanzen überwunden werden, um die Wärme zu den Verbrauchern zu bringen. Deshalb sollte das Wasser auf dem ursprünglichen Temperaturniveau transportiert werden, um die Leitungsverluste minimal zu halten. Für solche so genannten kalten Netze können ungedämmte Leitungen verlegt werden, wobei die möglichen Distanzen für einen Transport mehrere Kilometer ohne große Wärmeverluste betragen können (6). Neben der Entfernung zur Heizzentrale ist für einen wirtschaftlichen Betrieb die Durchflussmenge des Abwassers ausschlaggebend. Mittels Datensätzen des Office International de l’Eau (7) sowie eigenen Recherchen konnten für etwa 30 % aller Bioenergiedörfer Potenziale zur Nutzung des Abwassers von Kläranlagen identifiziert werden. Nutzt man das gereinigte Abwasser, so besteht die Möglichkeit, dieses direkt in die Wärmepumpe zu leiten (8). In diesem Szenario wird ein solcher Ansatz verfolgt, da damit die Investitionen in einen zusätzlichen Wärmeübertrager vermieden werden können. Bei den bekannten Temperaturen entstehen dabei kaum Verluste in den Zuleitungen, der Energiebedarf für den Transport (Pumpenstrom) darf allerdings nicht vernachlässigt werden. Aufgrund der hohen Temperaturniveaus der Nahwärmenetze muss eine Großwärmepumpe installiert werden, deren Jahresarbeitszahl anhand von Datenblättern für die angenommenen Temperaturen simuliert wurde und zwischen 2,9 (Winter) und 4,0 (Sommer) liegt. Das System wird durch einen Biomassekessel sowie einen Öl-Spitzenlastkessel ergänzt. Nachfolgend sind die Simulationsergebnisse dargestellt:

Tabelle 6: Simulationsergenisse Großwärmepumpe mit Kläranlagen-Abwasser und Holz

Unter der Annahme, dass mit der Dorfgröße auch der vorhandene Abwasservolumenstrom ansteigt, kann in den größeren Szenarien entsprechend mehr durchgesetzt werden, wobei der maximale Abwasservolumenstrom dem notwenigen Durchfluss bei voller Auslastung der Wärmepumpe entspricht. Für die großen Dörfer wurde ein maximaler Volumenstrom von 50 Litern pro Sekunde festgelegt, da nur etwa 1/3 aller deutscher Kläranlagen eine höhere Kapazität besitzen (7), was den geringeren Deckungsgrad der Wärmepumpe für diesen Fall erklärt. Analog zum vorhergehenden Konzept könnte die Stromversorgung der Wärmepumpen auch durch ein BHKW erfolgen, was die Effizienz des Gesamtsystems optimieren kann (8). Hier wurde zunächst von einer Versorgung durch Netzstrom ausgegangen, allerdings könnte durch ein BHKW insbesondere im Winter der Einsatz von Holz reduziert werden. Sind die notwendigen Rahmenbedingungen gegeben, kann eine Umsetzung dieses Konzeptes lohnend sein.

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Die ökonomische Analyse der oben vorgestellten Konzepte erfolgt anhand einer Vollkostenrechnung nach VDI 2067 (9) und gibt die Netto-Wärmegestehungskosten in ct/kWh Nutzwärme wieder. Der Betrachtungszeitraum beträgt 20 Jahre ausgehend vom Jahr 2030. Es wurde ein kalkulatorischer Zinssatz von 4 % sowie Preissteigerungsraten von 2 % pro Jahr gewählt. Die Kosten wurden sowohl ohne Förderung (oF) als auch mit Förderung (mF) untersucht, wobei in zweitem Fall die aktuelle Förderlandschaft mit einbezogen wurde (BEG, KfW 271, KWKG). Die Investitionskosten wurden anhand unterschiedlicher literaturbasierter Datenquellen als spezifische Kosten bestimmt und beeinflussen die Betriebskosten (Wartung/ Instandhaltung), die nach VDI 2067 als prozentuale Anteile dieser angegeben wurden. Die Bedarfskosten, also extern zugekaufte Betriebsstoffe wurden als Preisprognosen für das Jahr 2030 festgelegt, wobei für fossile Energieträger die CO2-Abgabe mitberücksichtigt wurde. Es wurde davon ausgegangen, dass die Nahwärmenetze bereits abbezahlt sind und entsprechend nur die laufenden Kosten zu tragen sind. Dasselbe gilt für die Heizzentrale, die Pufferspeicher sowie Teilen der Peripherie der Biogasanlage (Fermenter, Gärrestelager, Gasspeicher). In Abbildung 1 sind die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung dargestellt. Die Spannbreite der Wärmegestehungskosten über alle Konzepte liegt dabei zwischen 8,1 bis zu 26,5 ct/kWh und lässt erkennen, welche wirtschaftlich konkurrenzfähig sind. Für eine bessere Vergleichbarkeit sollen die Vollkosten einer dezentralen Pelletheizung und einer Luft-Wärmepumpe dienen, die mit Förderung bei 12,4 bis 13,2 ct/kWh liegen (10).

Abb. 1: Vergleich der Wärmegestehungskosten (LCOH) der untersuchten Konzepte

Die Wärmegestehungskosten der wärmegeführten Biogasanlage (K1) liegen in allen Größenordnungen selbst mit Förderung über 16,7 ct/kWh, was einen wirtschaftlichen Betrieb bei einer streng wärmegeführten Fütterung nicht möglich macht. Die Biogasgestehungskosten liegen zwischen 5,0 und 5,3 ct/kWhBiogas. Mit Anteilen von 56 bis 67 % haben in diesem Konzept die bedarfsgebundenen Kosten mit Abstand den größten Anteil an den Wärmegestehungskosten, was überwiegend durch die Biogassubstrate bedingt ist. Insgesamt sind die berechneten Wärmegestehungskosten verglichen mit dezentralen Heizungslösungen sehr hoch und ein Weiterbetrieb der Biogasanlage nur zu empfehlen, falls die Substratpreise sinken oder auf preisgünstige Alternativen umgestiegen werden kann.

Die Umstellung der Fütterung der Biogasanlage auf Rindergülle in Konzept 2 zeigt im Vergleich zu Konzept 1 eine Reduktion der Wärmegestehungskosten, die dann zwischen 12,1 und 22,2 ct/kWh liegen. Damit zeigt sich das Konzept für die großen Dörfer mit Förderung im Vergleich zu den Referenzsystemen als wirtschaftlich umsetzbar. Die Kosten für Rindergülle machen noch immer 39 bis 48 % der jährlichen Gesamtkosten aus, auch wenn dafür nur die Kosten für Transport angesetzt sind. Die Kosten für das Holz aus KUP haben mit 7 bis 10 % einen weitaus geringeren Einfluss. Insgesamt ist der Weiterbetrieb der Biogasanlage aus ökonomischer Sicht auch für günstige Substrate nur bedingt zu empfehlen.

Die Wärmegestehungskosten des Konzeptes 3 mit Solarthermie und Holzheizwerk sind mit 8,1 bis 13,0 ct/kWh im Vergleich zu den anderen am geringsten und in allen Größenordnungen konkurrenzfähig. Die Kosten für den Holzbezug machen mit 28 bis 34 % dabei den größten Anteil der jährlichen Kosten aus. Die Investitionen in die Solarthermiemodule liegen bei der Betrachtung mit Förderung bei nur etwa 6 bis 10 % der Jahreskosten. Aus wirtschaftlicher Sicht kann der Umstieg auf eine Wärmeerzeugung mit Solarthermie und Biomasse also empfohlen werden. Abhängig der Rahmenbedingungen wäre hier auch der Aufbau von Kurzumtriebsplantagen von Vorteil, um Kosten zu sparen und sich vor steigenden Holzpreisen bzw. Verknappung der Angebote abzusichern.

Während die Wärmegestehungskosten in Konzept 4 in den kleinen Dörfern ohne Förderung mit über 26 ct/kWh zu den höchsten aller Konzepte zählen, kann eine Kombination von Solarthermie mit Saisonalspeicher mit steigender Dorfgröße und dank attraktiver Förderung durchaus wirtschaftlich werden. Der Aufbau von Solarthermie mit Saisonalspeicher liegt gefördert auch für mittelgroße Dörfer bei 13,8 ct/kWh. Mit solaren Deckungsgraden von über 70 % hat dieses Szenario den Vorteil, stabil gegenüber zukünftigen Preisentwicklungen zu sein, da die laufenden Kosten für Solarthermie sehr gering sind. Die Investitionskosten mit Förderung machen jährlich ca. 35 bis 41 % der gesamten Kosten aus, weshalb für eine Umsetzung eine detaillierte Planung der einzelnen Komponenten empfohlen wird. Insgesamt ist für größere Dörfer der Aufbau von Solarthermie mit Saisonalspeicher zu empfehlen.

Die Kosten für den Betrieb einer Großwärmepumpe mit Kläranlagen-Abwasser in Konzept 5 liegen mit 11,3 bis 19,0 ct/kWh in einem Bereich, der für die mittelgroßen und großen Dörfer im Vergleich zu den dezentralen Wärmesystemen wirtschaftlich konkurrenzfähig ist. Die jährlichen Kosten für den externen Strombezug liegen bei etwa 50 Prozent und sind damit die größten Kostenpositionen. Die Verlegung der Rohre beeinflusst dieses Ergebnis maßgeblich, da diese für alle Dorfgrößen in etwa gleich teuer sind, was an dem großen Anteil der Tiefbaukosten liegt. Entsprechend macht die Versorgungsleitung der kleinen Dörfer 17,5 % der jährlichen Gesamtkosten aus, während der Anteil in den großen Dörfern nur noch 3,4 % beträgt. Falls die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Wärme aus Kläranlagen-Abwasser gegeben sind, ist dieser Ansatz ebenfalls zu empfehlen.

Ökologische Betrachtung

Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Ziel, zu erkennen, welche Umweltwirkungen die betrachteten Konzepte besitzen. Da sie alle über erneuerbare Energien Wärme bereitstellen, ist es von Interesse, die zugrundeliegenden Prozesse der Energieträgerbereitstellung und Produktion der Erzeugertechnologien im Detail zu untersuchen und diese zu bewerten. Das erlaubt einen Vergleich zwischen den Konzepten und lässt erkennen, welche tatsächlichen ökologischen Implikationen diese über den gesamten Lebensweg besitzen. Untersuchte Indikatoren sind dabei das Treibhausgaspotenzial (in kg CO2äq) und das Versauerungspotenzial durch sauren Regen basierend auf Schwefeldioxid (in g SO2äq). Bei der Betrachtung wird sich auf die Wärmeerzeuger sowie deren Einsatzstoffe beschränkt, nicht betrachtet werden Speicherung und Transport der Wärme. Zur Bestimmung der relevanten Prozesse und Kennzahlen wird die Datenbank GEMIS des Internationalen Instituts für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien (IINAS) genutzt (11). Dort sind für viele verschiedene Einsatzstoffe und Verwertungsprozesse mit den jeweiligen Vorketten Kennzahlen hinterlegt, die eine ganzheitliche Bilanzierung dieser erlauben (12). Für die nachfolgende Analyse werden für jeden Prozess die Prognosen für das Jahr 2030 genutzt. Diese wurden mit den Simulationsergebnissen zu spezifischen Emissionen in kg CO2äq/MWhNutz bzw. g SO2äq/MWhnutz abhängig der jährlich genutzten Wärme zusammengefasst. Als Vergleichsgröße sollen die Kennzahlen einer dezentralen Pelletheizung und eine Luft-Wärmepumpe dienen, die über die Annahmen von (10) mithilfe der entsprechenden Kennzahlen aus GEMIS berechnet wurden. Für die Pelletheizung liegen die CO2-Emissionen bei etwa 47 kg CO2äq/MWhnutz und das Versauerungspotenzial bei 0,48 kg SO2äq/MWhnutz. Die Luft-Wärmepumpe hat spezifische Treibhausgasemissionen von etwa 99 kg CO2äq/MWhnutz und
0,10 kg SO2äq/MWhnutz. In Abbildung 2 sind die Ergebnisse Kennzahlen gegenübergestellt.

Abb. 2: Gegenüberstellung der Emissionen der untersuchten Konzepte

Aufgrund der Emissionen der Vorketten bei Energiepflanzen und möglichen Leckagen geht der Weiterbetrieb der Biogasanlage (Konzept 1) im Vergleich zu den anderen Konzepten mit etwa 99 kg CO2äq/MWh mit vergleichsweise hohen CO2-Emissionen einher, die in etwa denen einer dezentralen Luft-Wärmepumpe gleichen. Das Versauerungspotenzial liegt weit über denen der anderen Konzepte und den dargestellten Referenzwerten, was hinsichtlich der typischerweise intensiven Düngung zum Substratanbau nachvollziehbar ist. Dass der Unterschied in etwa um den Faktor 10 höher ausfällt, ist allerdings bemerkenswert.

In Konzept 2 können die CO2-Emissionen der Biogasanlagennutzungin etwa auf 1/3 reduziert werden und liegen im Durchschnitt bei 35 kg CO2äq/MWh, was auf Gutschriften im Gülleinsatz sowie die geringen Emissionswerte von KUP-Holz zurückzuführen ist. Dass die SO2-Emissionen mit durchschnittlich 0,35 kg SO2äq/MWh maßgeblich geringer ausfallen als im ersten Konzept, liegt hauptsächlich an den KUP, in denen während der 25-jährigen Bewirtschaftung kaum neu gedüngt werden muss (13). Hier zeigt sich, dass aus ökologischer Sicht der Aufbau von KUP weitaus sinnvoller erscheint als eine intensive Energiepflanzenlandwirtschaft.

Die Nutzung von Solarthermie mit Holz (Konzept 3) ist mit durchschnittlich 31 kg CO2äq/MWh bezüglich der CO2-Emissionen von allen am vorteilhaftesten und liegt auch noch unter den Werten der dezentralen Pelletheizung. Bezogen auf die SO2-Emissionen liegen die Ergebnisse mit 0,28 kg SO2äq /MWh leicht unter denen von Konzept 2 und auch in Hinblick auf die Referenzwerte im Mittelfeld, was durch den hohen Holzbedarf erklärt werden kann. Die geringen Emissionen der Solarthermie, die nur durch Vorketten bedingt sind, fallen dabei kaum ins Gewicht.

Aufgrund des Einsatzes des Heizöl-BHKW sind die spezifischenCO2-Emissionen von Konzept 4 (Solarthermie mit Saisonalspeicher) mit durchschnittlich 58 kg CO2äq/MWh über denen einer dezentralen Wärmeversorgung mit Pellets. Das Versauerungspotenzial, das hier mit nur 0,13 kg SO2äq/MWh am niedrigsten liegt, lässt sich durch den hohen solaren Deckungsanteil erklären.

Der hohe Bedarf an Netzstrom führt dazu, dass die CO2-Emissionen des Konzeptes mit Abwasser-Wärmepumpe (Konzept 5) von allen am höchsten sind, die im Durchschnitt 114 kg CO2äq/MWh betragen. Die Degression mit steigender Dorfgröße lässt sich dabei über den geringeren Deckungsgrad der Wärmepumpe und den höheren Biomasseeinsatz erklären. Das Versauerungspotenzial liegt mit durchschnittlich 0, 22 kg SO2äq/MWh im Vergleich zu den anderen Konzepten relativ niedrig, allerdings noch immer doppelt so hoch wie der dezentrale Betrieb einer Luft-Wärmepumpe, was durch die Ergänzung durch Holz und dem Öl-Spitzenlastkessel bedingt ist.

Zum Weiterlesen

  1. Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Bioenergiedörfer – Liste [online], 2021. Verfügbar unter: https://bioenergiedorf.fnr.de/bioenergiedoerfer/liste
  2. Nussbaumer, T. und Thalmann, S. Status Report on District Heating Systems in IEA Countries, 2014. Verfügbar unter: https://www.nachhaltigwirtschaften.at/resources/iea_pdf/reports/iea_bioenergy_task32_status_report_on_district_heating_
    systems.pdf
  3. Klingbeil, S. Wie viel Wärme steht wann zur Verfügung?, 2015 In: Biogas Journal 2015, (Sonderheft Gülle Kleinanlagen), S. 32–33.
  4. Danish Energy Agency und Energinet. Technology Data. Generation of Electricity and District heating [online], 2016. Verfügbar unter: http://www.ens.dk/teknologikatalog
  5. Thamling, N., N. Langreder, D. Rau, M. Wünsch, C. Maaß, M. Sandrock, G. Fuß, P. Möhning, A. Purkus, N. Strodel. Perspektive der Fernwärme. Maßnahmenprogramm 2030. Aus- und Umbau städtischer Fernwärme als Beitrag einer sozial-ökologischen Wärmepolitik, 2020. Hg. v. Prognos AG und Hamburg Institut. [Zugriff am: 03. Dezember 2021]. Verfügbar unter: https://www.hamburg-institut.com/wp-content/uploads/2021/06/AGFW_Perspektive_der_Fernwaerme_2030_final.pdf
  6. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA). Merkblatt DWA-M 114. Abwasserwärmenutzung. 1. Auflage, Hennef, 2020. ISBN: 978-3-88721-894-2
  7. Office International de l’Eau. UWWTD Treatment Plants – treatment map. European commission urban waste water website: Germany [online], 2021. [Zugriff am: 03. Dezember 2021]. Verfügbar unter: https://dev.oieau.fr/uwwtd_de/uwwtps/treatment
  8. Müller, E., F. Schmid, B. Kobel. Heizen und Kühlen mit Abwasser. Ratgeber für Bauträger und Kommunen, 2009. Verfügbar unter: https://www.waermepumpe.de/fileadmin/user_upload/waermepumpe/07_Publikationen/bwp-Heizen_und_Kuehlen_mit_Abwasser.pdf
  9. Verein Deutscher Ingenieure (VDI). VDI-Richtlinie 2067 Blatt 1. Wirtschaftlichkeit gebäudetechnischer Anlagen. Grundlagen und Kostenberechnung, 2016. Hg. v. Beuth Verlag, Düsseldorf
  10. C.A.R.M.E.N. e.V.. Entscheidungskriterien für ein neues Heizsystem – mehr als ein Heizkostenvergleich, 2021. Verfügbar unter: https://www.carmen-ev.de/wp-content/uploads/2021/12/Infoschrift_Heizkostenvergleich.pdf
  11. Internationales Institut für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien (IINAS). Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme (GEMIS). Software Version 5.0., 2021. [Zugriff am: 16. Dezember 2021]. Verfügbar unter: http://iinas.org/gemis-download-121.html
  12. Rausch, L. und Fritsche, U. Aktualisierung von Ökobilanzdaten für Erneuerbare Energien im Bereich Treibhausgase und Luftschadstoffe, 2012. Verfügbar unter: http://iinas.org/tl_files/iinas/downloads/bio/oeko/2012_LCA-EE-BMU.pdf
  13. Dimitriou, I. und Rutz, D. Nachhaltige Kurzumtriebsplantagen. Ein Handbuch, 2015. München: WIP Renewable Energies.

Ergänzung erneuerbarer Wärmeerzeuger

von Jan Kelch

Warum sollte man auf die Technik/Entwicklung umsteigen?

Falls die Fermenterbeheizung wegfallen würde, da BHKWs nach Ende der EEG-Förderung unwirtschaftlich geworden sind, könnten andere erneuerbare Wärmeerzeuger eingesetzt werden, um die Biogasproduktion aufrechtzuerhalten. Dieses Szenario ist vor Allem dann denkbar, wenn Biogas auf anderem Wege wirtschaftlich vermarktet werden kann (z.B. Gasnetzeinspeisung). Falls weitere BHKWs existieren, deren EEG-Förderung später ausläuft und deren Abwärme bereits anderweitig gebraucht wird, ergeben sich weitere Vorteile.

Wärmekonzepte wie eine Holzkesselheizung, ein Holzkessel plus Solarthermieanlage sowie die Nutzung von Windkraft in Verbindung mit Wärmepumpen sind geeignet, BHKW-Wärme bei akzeptablen Wärmepreisen zu ersetzen. Soll eine Pyrolyseanlage als neues Geschäftsmodell und als Wärmequelle eingesetzt werden, kann der Verkauf von qualitativ hochwertiger, hochpreisiger Pflanzenkohle zu vergleichbaren Wärmepreisen wie in den obigen Konzepten führen.

Stand der Entwicklung

Die Technologien Holzkessel, Solarthermieanlagen und Wärmepumpen sind weit verbreitet und gehören damit grundsätzlich zum Stand der Technik. In Wärmenetze einspeisende Großwärmepumpen sind in Deutschland noch eher selten. Im Zuge der erforderlichen Dekarbonisierung von Wärmenetzen werden Großwärmepumpen jedoch wahrscheinlich vermehrt zum Einsatz kommen, weil mit dieser Technologie verschiedenste Niedertemperaturwärmequellen erschlossen werden können. Pyrolyseanlagen werden in Deutschland bereits in geringer Anzahl kommerziell eingesetzt. Eine Beschreibung des Entwicklungsstands der Pyrolysetechnik sowie der Verwendungsmöglichkeiten für Pflanzenkohle ist in der Handlungsempfehlung „Energie- , Pflanzenkohlegewinnung und CO2 Sequestrierung mittels Pyrolyse“ zu finden.

Beschreibung der Handlungsempfehlung

In dem hier betrachteten Fallbeispiel aus dem Bioenergiedorf Altenmellrich wird eine Aufbereitung von Biogasüberschüssen mit nachgeschalteter Gasnetzeinspeisung im Verbund mit einer Nachbarbiogasanlage als Geschäftsmodell verfolgt. Für die Beheizung des Fermenters sind ergänzende Wärmekonzepte notwendig. Die vorgestellten Szenarien basieren auf den Daten und der Situation dieses Dorfes, können aber auch als Anregung für andere Bioenergiedörfer dienen.

Die Ausgangssituation ist in Abb. 1 dargestellt: Das Bioenergiedorf verfügt über Satelliten-BHKWs, welche in das Nahwärmenetz des nahegelegenen Dorfes (Hauptwärmenetz) einspeisen.  Für den Betrachtungszeitraum ab 2030 werden die BHKWs im Dorf über die 10-jährige Anschlussförderung durch das EEG weiterhin gefördert, während für die BHKWs an der Biogasanlage die EEG-Förderung bereits endet. Da in dem Szenario die Biogasproduktion aufrechterhalten werden soll, sind neue Wärmeerzeuger für den Fermenter erforderlich. Aufgrund der stillgelegten BHKWs am Biogasanlagenstandort und der Annahme eines rein wärmegeführten BHKW-Betriebs der Satelliten-BHKWs treten in höherem Maße Biogasüberschüsse auf, wenn die Biogasproduktion auf dem gleichen Niveau wie im Ist-Stand bleibt. Diese auftretenden Biogasüberschüsse können zusammen mit Biogasüberschüssen einer benachbarten Biogasanlage zu Biomethan aufbereitet und ins nahegelegene Gasnetz eingespeist werden.

Im nachfolgenden Beispiel werden verschiedene Wärmeversorgungsszenarien zur Beheizung des Fermenters und von ein paar wenigen Gebäuden am Biogasanlagenstandort (kleines Wärmenetz) betrachtet. Der hierfür gewählte Betrachtungszeitraum ist 2030 bis einschließlich 2039. Die Biogasanlage bleibt dabei bestehen und die BHKWs an der Heizzentrale im Dorf werden auch weiterhin mit Biogas versorgt.




Abb. 1: Weiterbetrieb des Fermenters mithilfe ergänzender Wärmequelle sowie Biogaseinspeisung ins Gasnetz

Es werden fünf mögliche Wärmeversorgungsszenarien vorgestellt, die die Fermenterbeheizung sowie den Wärmebedarf für das kleine anlagennahe Wärmenetz bereitstellen könnten. Während das Szenario 1 die alleinige Wärmebereitstellung durch einen Holzkessel vorsieht (Referenzszenario), kommt im Szenario 2 zum Holzkessel noch eine solarthermische Freiflächenanlage hinzu, um den Holzeinsatz zu reduzieren. Innerhalb der Szenarien 3 und 4 kommen jeweils Pyrolyseanlagen unterschiedlicher Größen für die Wärmebereitstellung zum Einsatz, die darüber hinaus noch Pflanzenkohle produzieren.  Die kleine Pyrolyseanlage in Szenario 3 wird durch einen Holzkessel unterstützt, während die große Pyrolyseanlage in Szenario 4 die Wärmeversorgung komplett übernimmt. Das Szenario 5 setzt auf die Einbindung einer nahegelegenen Windkraftanlage und Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen („Wind-Power-to-Heat). Die nachfolgend angegebenen Eckdaten wie z.B. Wärmebedarf und Holzeinsatz wurden aus den Praxisdaten abgeleitet und berechnet.  Als Brennstoff für die Holzkessel und als Substrat für die Pyrolyseanlagen wird stets der ausschließliche Einsatz von Landschaftspflegeholz angenommen.

Holzkessel (Szenario 1): Der jährliche Holzeinsatz bei der Wärmeversorgung mit einem Holzkessel von etwa 500 kWth beträgt in diesem Szenario etwa 4.100 SRM (Schüttraummeter).

Holzkessel + Solarthermie (Szenario 2): Die Wärmebereitstellung des Holzkessels wird hier durch eine solarthermische Freiflächenanlage mit einer Bruttokollektorfläche von etwa 2.100 m² ergänzt. Die monatliche Wärmebereitstellung mittels Holzwärme und Solarthermie ist in der folgenden Abbildung dargestellt.




Abb. 2: Monatliche Wärmebereitstellung am Standort der Biogasanlage aufgeteilt nach Solarthermie und Holzkessel

In den Sommermonaten kann die Wärmeversorgung fast ausschließlich durch Solarthermie erfolgen, wodurch sich der zu dieser Zeit oftmals ineffiziente Teillastbetrieb des Kessels reduziert. Da der Fermenter auf einem niedrigen Temperaturniveau von etwa 39°C betrieben wird und zudem Hauptwärmeabnehmer ist, kann die Solarthermieanlage sehr effizient betrieben werden und erreicht einen solaren Deckungsanteil von rund 32%. Gegenüber dem Referenzszenario, dass allein auf Holzwärme basiert, reduziert sich der Holzeinsatz dementsprechend um 32% auf rund 2.800 SRM.

Pyrolyse (Szenarien 3 und 4): Die Pyrolyseanlagen in den Szenarien 3 (kleine Pyrolyse) und Szenario 4 (große Pyrolyse) werden jeweils mit 7.500 Volllaststunden betrieben. Die kleinere Anlage verfügt über eine Abwärmeleistung von 150 kW und die große von 500 kW. Die Leistung der kleinen Anlage entspricht in etwa der sommerlichen Wärmelast, so dass die Abwärme ganzjährig, vollständig genutzt werden kann. Den restlichen Wärmebedarf deckt in diesem Fall (Szenario 3) ein Holzkessel. Die Leistung der großen Anlage entspricht der maximalen Winterlast, so dass der Gesamtwärmebedarf durch die Pyrolysewärme gedeckt ist. Allerdings kommt es aufgrund der geringeren Sommerlast im Szenario 4 zu einer ungenutzten Abwärmemenge von 1,2 GWh/a.  Als Pyrolysesubstrat wird bei beiden Szenarien Landschaftspflegeholz eingesetzt und die produzierte Pflanzenkohle in Höhe von 190 t/a bei Szenario 3 und 560 t/a bei Szenario 4 verkauft. Der Holzeinsatz in Szenario 3 für den Kessel (2.300 SRM) und die Pyrolyseanlage (5.300 SRM) beträgt in Summe 7.600 SRM. In Szenario 4 ist der Holzeinsatz für die Pyrolyseanlage mit 16.000 SRM noch deutlich höher.

Power-to-heat mit Wärmepumpen (Szenario 5): Der technische Ansatz dieses Szenarios besteht in der Einbindung einer nahegelegenen Windkraftanlage mit 800 kW Nennleistung in das Wärmeversorgungskonzept, bei der die EEG-Förderung etwa zeitgleich mit den BHKWs der Biogasanlage endet. Zwei Wärmepumpen, die bei entsprechender Verfügbarkeit mit Windstrom und andernfalls mit Netzstrom betrieben werden, decken den Wärmebedarf und sind miteinander als Kaskade verschaltet. Die Niedertemperaturwärmepumpe (WP1) nutzt als Wärmequelle Außenluft (Außenlufttemperatur: Ta), um den Fermenter zu beheizen. Die Fermentertemperatur von etwa 39°C kann in der Systemsimulation um bis zu 3 °C angehoben werden, um überschüssigen Windstrom in Form von Wärme zu speichern. Es wird angenommen, dass der Fermentationsprozess davon nicht gestört wird. Der Fermenter dient neben seiner Funktion als Pufferspeicher auch als Wärmequelle für die Hochtemperaturwärmepumpe (WP2), welche das kleine Wärmenetz mit einer Vorlauftemperatur von 70-80°C versorgt. Durch die kaskadierte Anordnung der Wärmepumpen wird für beide Wärmeabnehmer das notwendige Temperaturniveau bedarfsgerecht bereitgestellt und so eine höhere Systemeffizienz erreicht als bei alleiniger Bereitstellung der Gesamtwärmemenge auf dem maximal erforderlichen Temperaturniveau des Wärmenetzvorlaufs.




Abb. 3: Wärmeversorgung durch Wärmepumpen-Kaskade unter Einbindung einer Post-EEG-Windkraftanlage

Die Jahressimulation mit der Software EnergyPro (Hersteller EMD) kommt zu dem Ergebnis, dass die Wärmepumpen-Kaskade mit einer Systemjahresarbeitszahl von 2,9 und zu etwa 48% mit Windstrom betrieben werden kann. Für die Wärmebereitstellung können jedoch nur etwa 37% des erzeugten Windstroms genutzt werden, während die restlichen 63% nach wie vor ins Netz eingespeist werden. Die folgende Abbildung zeigt Monatswerte für die Bereitstellung des Wärmepumpenstroms durch Windkraft oder über das Stromnetz sowie die Windstromeinspeisung ins Stromnetz. Es ist zu erkennen, dass die monatliche Windstrombereitstellung und der monatliche Strombedarf für die Wärmebereitstellung in den Wintermonaten jeweils deutlich höher sind als in den Sommermonaten. Dies bekräftigt, dass sich Windstrom aufgrund des saisonalen Verlaufs gut zur Bereitstellung von Wärme eignet.


Abb. 4: Monatliche Bilanz der Windstromnutzung und des Strombezug der Wärmepumpen

Die wesentlichen Vorteile dieses Szenarios sind, dass ganz auf den Einsatz von Holz verzichtet werden kann, Zusatzeinahmen für den Weiterbetrieb der Post-EEG-Windkraftanlage bereitgestellt werden und Strom effizient für die Wärmebereitstellung genutzt und etwa zur Hälfte auch direkt vor Ort erzeugt wird. Unsicher ist, inwieweit sich der Wegfall der Windkraftanlage nach maximal 10 weiteren Betriebsjahren auf die Wirtschaftlichkeit der Wärmeversorgung auswirkt. Die Wärmepumpen würden danach voraussichtlich vollständig mit Netzstrom weiterbetrieben werden. Die Übertragbarkeit dieses Wärmeversorgungsszenarios auf andere Bioenergiedörfer ist u.a. daran gekoppelt, dass nahestehende Post-EEG-Windkraftanlagen vorhanden sind (über eine Filterfunktion lassen sich Bioenergiedörfer mit nahegelegenen Windkraftanlagen auf der Website www.energiewendedörfer.de anzeigen). Grundsätzlich bekräftigen die Ergebnisse, dass es sinnvoll ist, Post-EEG-Windkraftanlagen als potenzielle Stromquelle für die Wärmebereitstellung in Wärmenetzen und Großwärmespeichern zu berücksichtigen.

Rechtliche Situation

Bei Feuerungsanlagen ist es erforderlich, gesetzliche Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Diese Grenzwerte werden für Holzkessel mittlerer Größe durch die Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) vorgegeben. Der Betrieb von Luftwärmepumpen geht dagegen mit Betriebsgeräuschen aufgrund des erforderlichen Gebläses einher. Rechtsgrundlage für die zulässigen Schallimmissionen ist die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung (32. BImSchV). Eine kurze Zusammenfassung zum Thema gibt der Leitfaden „Schall“ des Bundesverbandes Wärmepumpe [2]. Bei der Direktlieferung von lokalem Windstrom wird der Anlagenbetreiber der Windkraftanlage wie ein Energieversorgungsunternehmen behandelt, sofern keine Eigenversorgung vorliegt. Dies kann für eine einzelne Windkraftanlage oder einen kleinen Windpark eine administrative Hürde darstellen, weil der Aufwand nicht unerheblich ist. Die EEG-Umlage fällt nach der aktuellen Regelung in voller Höhe an. Im Falle einer Eigenversorgung würde dagegen die EEG-Umlage derzeit nur zu 40% anfallen. Sofern die Windkraftanlage nicht im Besitz des Stromabnehmers ist, könnte noch geprüft werden, inwieweit der Status Eigenversorgung auf anderem Wege zu erreichen wäre, z.B. über ein Pachtmodell [3]. Die rechtliche Situation von Pyrolyseanlagen ist in der Handlungsempfehlung „Energie- , Pflanzenkohlegewinnung und CO2 Sequestrierung mittels Pyrolyse“ näher beschrieben.

Wirtschaftlichkeit

Die für das Fallbeispiel berechneten Wärmegestehungskosten zur vorwiegenden Beheizung des Fermenters betragen inkl. Förderung durch KfW und BAFA (Stand 2021) und unter Berücksichtigung der kapital-, betriebs- und bedarfsgebundenen Kosten für die Szenarien Holzkessel, Holzkessel plus Solarthermie und Power-to-Heat mit Wärmepumpen jeweils zwischen 5,5 und 6,8 Ctnetto/kWh. Bei den Pyrolyse-Szenarien (kleine bzw. große Pyrolyse) hängen die Wärmegestehungskosten stark vom verfügbaren Preis für Landschaftspflegeholz und von dem erzielbaren Erlös für Pflanzenkohle ab. Ähnlich niedrige Wärmegestehungskosten wie in den anderen Szenarien können voraussichtlich nur mit sehr günstigen Holzpreisen von unter 1 Ctnetto/kWh und Erlösen für Pflanzenkohle von mehr als 700 €netto/t erreicht werden. In der Abbildung 5 sind die jährlichen Wärmekosten, unterteilt in kapitalgebundene, betriebsgebundene und bedarfsgebundene Kosten sowie die Wärmegestehungskosten je kWh dargestellt. Für die Berechnungen wurden ein Preis für Landschaftspflegeholz von 3 Ct/kWh und eine Biokohleerlös von 700 €/t angenommen.


Abb. 5: Jährliche Wärmekosten sowie Wärmegestehungskosten je kWh der Wärmeversorgungsszenarien im Vergleich

Ob es sich lohnt in ergänzende Wärmequellen zu investieren, um die hier betrachtete Biogasanlage weiter zu betreiben und überschüssiges Biogas durch Methanisierung und anschließende Einspeisung ins Gasnetz zu vermarkten, lässt sich nur durch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Gesamtsystems aller einspeisenden Biogasanlagen bewerten. Faktoren wie z.B. die Auslastung der Methanisierungsanlage sowie erforderliche Investitionen in Rohbiogasleitungen sind für diese Betrachtung von Bedeutung. Untersuchungen innerhalb des Projektes haben gezeigt, dass bei einer vollständigen Aufbereitung der Biogasüberschüsse mit anschließender Einspeisung in das nahgelegene Erdgasnetz der zur Kostendeckung erforderliche Methan-Nettoverkaufspreis (Gewinnschwelle) bei etwa 6 Ct/kWhMethan liegt. Bei dieser Berechnung sind allerdings noch keine Kosten für ergänzende Wärmeerzeuger inbegriffen. Die errechnete Biogasüberschussrate beträgt für die betrachtete Biogasanlage 200 Nm³/h (kleine Biogasanlage) und für die Nachbarbiogasanlage 700 Nm³/h (große Biogasanlage) bei jeweils angenommen Volllaststunden von 8.500 h/a. Ausgehend von dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung werden die Mehrkosten berechnet, welche für die kleine Biogasanlage durch die Fermenterbeheizung mit Holzkessel und Solarthermiefeld anfallen. Die für dieses Versorgungskonzept berechneten Wärmekosten liegen bei etwa 5,6 Ct/kWhth und führen zu einer Kostenerhöhung des Rohbiogases von etwa 0,6 Ct/kWhRohbiogas. Somit steigen die für das Jahr 2030 angesetzten Rohbiogaskosten von 5,0 Ct/kWhRohbiogas auf 5,6 Ct/kWhRohbiogas an. Die Gewinnschwelle für den Methanverkauf würde sich bei der kleinen Biogasanlage durch die ergänzende Wärmeerzeugung ebenfalls um etwa 0,6 Ct/kWhMethan auf 6,6 Ct/kWhMethan erhöhen, was einer Erhöhung von 10 Prozent entspricht. Angesichts aktueller CNG-Tankstellenpreise von etwa 9 Ct/kWh [4] ist diese Anhebung der Gewinnschwelle um etwa 0,6 Ct/kWhMethan ein deutlicher Nachteil. Würde die kleine Biogasanlage sich nicht beteiligen, hätte das jedoch auch Nachteile für die andere einspeisende Biogasanlage, da sich die spez. Aufbereitungskosten mit abnehmender Biogasüberschussrate erhöhen. Es wäre daher auch denkbar, diese Mehrkosten auf die einspeisenden Biogasanlagen so zu verteilen, dass die gemeinsame Einspeisung für alle wirtschaftlich bleibt.

Betriebliche Umsetzung

Technisch gesehen sind die Wärmeversorgungsszenarien grundsätzlich umsetzbar. Die Szenarien sind auch auf andere Anwendungsfälle übertragbar, wenn sie an die notwendigen Rahmenbedingungen wie z.B. Temperaturniveaus angepasst werden.  In dem hier betrachteten Fall ist der Hauptwärmeabnehmer ein Fermenter mit einer Betriebstemperatur von ca. 39°C. Bei der Übertragung der Wärmeversorgungskonzepte auf andere Anwendungsfälle (z.B. Nahwärmeversorgung für Wohngebäude im Bestand mit typischerweise 70-80°C Vorlauftemperatur) wäre zu berücksichtigen, dass die Effizienz bei Wärmepumpen und Solarthermieanlagen temperaturabhängig ist und bei beiden Technologien mit zunehmendem Temperaturniveau der Wärmebereitstellung sinkt.

Ökologie

Aufgrund der eingesetzten erneuerbaren Wärmequellen wie der Verbrennung von Landschaftspflegeholz, Solarthermie oder Wind-power-to-Heat-Lösung mit einer alten Windkraftanlage sind die vorgestellten Wärmeversorgungsszenarien für sich alleinstehend ökologisch positiv zu bewerten. Die auftretenden Treibhausgas-Emissionen dieser Wärmeerzeugungsvarianten können grundsätzlich als sehr gering eingestuft werden. Eine vereinfachte Berechnung mit Emissionsfaktoren des Umweltbundesamtes [5] ergibt, dass die spez. THG-Emissionen je Kilowattstunde bereitgestellter Wärme für Szenario 1 „Holzkessel“ und für Szenario 2 „Holzkessel und Solarthermie“ bei etwa 23 bis 24 g/kWh liegen. Bei den Pyrolyse-Szenarien 3 und 4 wird davon ausgegangen, dass Biokohle als Bodenverbesserer eingesetzt wird, über ungefähr 100 Jahre stabil im Boden eingelagert bleibt und so als CO2-Senke fungiert. In Anlehnung an die Ergebnisse einer THG-Bilanzierung über den gesamten Lebenszyklus für eine Pyrolyseanlage mit holziger Biomasse als Substrat wird in Summe von einer durchschnittlichen CO2-Entzugsmenge bzw. -Einsparung von -335 kg je Tonne Holzeinsatz ausgegangen [6]. Die Wirkung als CO2-Senke ist nur gegeben, sofern die eingesetzte Holzmenge auch wieder nachwachsen kann, was bei Landschaftspflegeholz jedoch wahrscheinlich ist. Auf Grundlage dieser Annahme ergeben sich für Szenario 3 zusammen mit den CO2-Emissionen durch den Holzeinsatz im Kessel eine CO2-Einsparung  von -216 t/a (umgerechnet sind das  -84 g Einsparung je kWh genutzter Wärme) und für Szenario 4 mit der großen Pyrolyseanlage -754 t/a CO2-Einsparung  (umgerechnet sind das -292 g Einsparung je kWh genutzter Wärme). Im Falle des Szenario 5 „Wind-Power-to-Heat“ werden die betriebsgebundenen THG-Emissionen vereinfacht anhand des Stromverbrauchs der Wärmepumpen für das Jahr 2030 abgeschätzt. Der von der Alt-Windkraftanlage bezogene Strom wird als klimaneutral eingestuft und der Emissionsfaktor für den Strom-Mix 2030 unter Berücksichtigung des Ausbauziels der Bundesregierung, bis 2030 80% des Stroms mit erneuerbaren Energien bereitzustellen, und auf der Grundlage von Eckdaten aktueller Klimaschutzszenarien für 2030 [7] mit 61 g/kWh angenommen (Zum Vergleich: Wert für 2020 laut Umweltbundesamt bei 380 g/kWh). Die berechneten spez. Emissionen der Wärmebereitstellung für Szenario 5 betragen unter diesen Annahmen 11 g/kWh.

Da jedoch der Einsatz ergänzender Wärmeerzeuger den Weiterbetrieb der Biogasanlage ermöglichen soll, müsste für eine konsequente ökologische Bewertung dieser Handlungsempfehlung die gesamte Vorkette der Biogasanlage, der Betrieb mit den eingesetzten Betriebsmitteln und Substraten sowie die erzeugten Produkte Wärme, Strom und Biomethan in einer Ökobilanz (from crandle to grave) betrachtet werden. Eine Ökobilanz beinhaltet neben den Emissionen von Treibhausgasen (THG) auch den Ressourcenverbrauch sowie Auswirkungen auf die Human- und Ökotoxikologie. Die Reduktion von THG-Emissionen zur Eindämmung des Klimawandels spielt für den vorliegenden Vergleich jedoch eine zentrale Rolle, so dass hierauf Bezug genommen wird. Das Umweltbundesamt hat THG-Bilanzen für die Biogasproduktion erstellt [5] und aufgezeigt, das unter erneuerbaren Stromerzeugern Biogas nach Windenergie (Onshore) und PV die drittgrößten Brutto-THG-Einsparungen erreicht, jedoch die Netto-THG-Einsparungen deutlich geringer ausfallen, da Anbau von Energiepflanzen und Betrieb der Anlage THG-Emissionen verursachen.


Abb. 6: Bei der erneuerbaren Stromerzeugung vermiedene und verursachte THG-Emissionen in 2018

Beim Einsatz von Reststoffen und vermehrten Einsatz von Wirtschaftsdüngern kann allerdings die Nettobilanz verbessert werden. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass insbesondere die betriebsbedingten Methan-Emissionen der Biogasanlage auf ein technisch mögliches Minimum reduziert werden, denn Methan ist in den ersten 20 Jahren etwa 83 mal so klimaschädlich und auf längere Sicht noch etwa 27 mal so schädlich wie CO2 [8]. Als weiterführende Literatur zum Thema THG-Emissionen von Biogasanlagen sei an dieser Stelle eine Studie des Deutschen Biomasseforschungszentrums empfohlen. In einer Zusammenfassung der Studienergebnisse [9] werden typische THG-Emissionsquellen benannt und THG-Bilanzen von 10 Biogasanlagen miteinander verglichen. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass der Weiterbetrieb von Biogasanlagen ökologisch gesehen sinnvoll ist, wenn die Produkte Strom, Wärme oder Methan fossile Energieträger ersetzen und wenn durch den Einsatz von Reststoffen in höherem Maße THG-Emissionen vermieden werden.

Praxisbeispiel und Kontaktdaten

Bosbuell: Der Strom aus lokalen Solar- und Windkraftanlagen wird in der Gemeinde Bosbuell (Nordfriesland in Schleswig-Holstein) einerseits genutzt, um mithilfe von Wärmepumpen die Nahwärmeversorgung bereitzustellen und andererseits mit Elektrolyseuren vor Ort grünen Wasserstoff zu produzieren. Die Abwärme aus der Wasserstoffproduktion wird ebenfalls für das Wärmenetz genutzt. Wärmeabnehmer sind bisher ca. 25 Haushalte und ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Muttersauenhaltung. Die Firma GP JOULE ist Generalunternehmer des Projektes. Ebenfalls am Projekt beteiligt ist der Windpark Bosbüll [10].

Zum Weiterlesen

[1]: Bundesamt für Justiz. Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV) [online], Stand Juni 2020, https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_1_2010/BJNR003800010.html

[2]: Bundesverband Wärmepumpe e.V.. Leitfaden Schall [online], 2016, https://www.waermepumpe.de/uploads/tx_bcpageflip/BWP_LF_Schall_2019_DRUCK.pdf

[3]: Fachagentur Windenergie an Land. Weiterbetrieb von Windenergieanlagen – Was gilt es zu beachten? [online], Stand Juli 2021, https://www.fachagentur-windenergie.de

[4]: Zukunft Gas e.V. [online], https://gas.info/mobil-verkehr/erdgas-cng-mobil/erdgas-fahren-rechnet-sich

[5]: Umweltbundesamt. Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger – Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2018 [online], 2019, https://www.umweltbundesamt.de

[6]: Slow pyrolysis as a platform for negative emissions technology: An integration of machine learning models, life cycle assessment, and economic analysis, Energy Conversion and Management [online], 2020, https://www.sciencedirect.com

 [7]: Kopernikus-Projekt Ariadne. Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 [online], 2021, https://ariadneprojekt.de

[8]: DBFZ. Treibhausgas-Emissionen von Biogasanlagen mit landwirtschaftlichen Einsatzstoffen (Workshop „Klimaschutz bei der Herstellung und Anwendung organischer Dünger“) [online], 2020, https://cdn.website-editor.net

 [9]: Deutsche Umwelthilfe, Fernwärme aus dem Gaskraftwerk? – Das Methanproblem [online], 2021, https://www.duh.de

[10]: Bosbüll Energie GmbH, https://www.bosbuell-fernwaerme.de/

Zukunftskonzepte und Umsetzungsmanagement fördern lassen

von Ines Wilkens und Marinus Schnitzlbaumer

Warum sollte man auf diese Technik/ Entwicklung umsteigen?

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bietet mit dem Förderinstrument KfW 432 „Energetische Stadtsanierung“ einen Zuschuss zur Planung von Quartierskonzepten einschließlich des Personals, das dieses Konzept im Quartier umsetzen soll (genannt: Sanierungsmanagement) an. Quartierskonzepte können die Investitionen für die energetische Sanierung und Gestaltung der Energieversorgung für ein Quartier begleiten und als Entscheidungs- und Planungshilfe unterstützen.

Ziele des Förderinstruments sind die Steigerung der Energieeffizienz und Einsparung von CO2. Auch wenn im Titel Städte adressiert werden, kann das Förderprogramm auch für kleinere Kommunen genutzt werden, also auch für die Entwicklung von neuen Bioenergiedörfern oder die Weiterentwicklung von bestehenden Bioenergiedörfer zu einer eigenständigen Versorgung durch erneuerbare Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr.

Stand der Entwicklung 

Das Förderinstrument ist seit 2011 verfügbar. Eine Studie der Prognos AG zum Förderprogramm bis Ende des Jahres 2017 zeigt folgende Ergebnisse: Es wurden über 1.000 Anträge bewilligt und etwa 53 Mio. € an Fördergeldern ausgegeben. Für die einzelnen Projekte lag die durchschnittliche Förderhöhe bei etwa 45.000 € für die Konzepterstellung und ca. 110.000 € für das Sanierungsmanagement. Die Eigenanteile der Kommunen lagen entsprechend bei 27.000 € (Konzept) bzw. 63.000 € (Sanierungsmanagement). (1)

Bei mehr als zwei Dritteln der Antragsteller waren Fragen der Gebäudesanierung und Wärmeversorgung die Haupttreiber, etwa ein Drittel nannte erneuerbare Energien als Schwerpunktthema (1). Bis 2017 wurden 25% der Anträge durch Kleinstädte und Landgemeinden gestellt (2). Das lässt darauf schließen, dass das Programm im ländlichen Raum noch nicht so stark verbreitet ist.

Es wurde festgestellt, dass häufig konkrete Zielsetzungen wie etwa das Errichten eines Nahwärmenetzes oder städtebauliche Sanierungsvorhaben ausschlaggebend für einen Antrag auf die Förderung waren. Dabei waren Verknüpfungspunkte zu Gebieten der Städtebauförderung zu erkennen. (1)

Rechtliche Situation

Gefördert werden kommunale Gebietskörperschaften und deren rechtlich nicht selbstständigen Eigenbetriebe. Es gibt jedoch die Möglichkeit, dass die Kommune die Zuschüsse an privatwirtschaftliche oder gemeinnützige Akteure weitergibt, wie z. B. an Genossenschaften oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR). Hierzu zählen beispielsweise

•            Unternehmen mit mehrheitlich kommunalem Gesellschafterhintergrund

•            Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften, Wohnungseigentümergemeinschaften oder

•            Eigentümer von selbst genutzten oder vermieteten Wohngebäuden, insbesondere Eigentümerstandortgemeinschaften mit mindestens 5 natürlichen Personen als Eigentümer, organisiert in privatrechtlicher Form, zum Beispiel als eingetragener Verein oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (3).

Wirtschaftlichkeit

Die KfW fördert 65 % der förderfähigen Kosten des Quartierskonzeptes und des Sanierungsmanagements (max. 150.000 € für das Management in der ersten Förderphase von drei Jahren, bei einer Verlängerung auf fünf Jahre max. 250.000 €).

Eine Ergänzungsförderung mit Mitteln aus anderen Förderprogrammen des Bundes, der Länder oder der EU ist möglich, allerdings dürfen maximal 85% (bzw. 95% für finanzschwache Kommunen) finanziell unterstützt werden. Welches Förderprogramm dazu speziell in Frage kommt, hängt stets von der Situation vor Ort aber auch von dem entsprechenden Bundesland ab. In der Regel handelt es sich um Förderprogramme aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EFRE) oder aus Städtebauförderprogrammen, deren detaillierte Ausgestaltung in jedem Bundesland unterschiedlich ist. Hierzu kann man mit der Förderbank des jeweiligen Bundeslandes Kontakt aufnehmen.

Programme, die einen direkten Bezug zum KfW-Programm 432 besitzen, werden in einigen Bundesländern angeboten:

BundeslandName des ProgrammesFörderbankLink
HessenNoch im Aufbau. Beschluss wurde Ende 2019 gefasst.WIBankFörderrichtlinie
NiedersachsenEnergetische Stadtsanierung – integrierte Quartierskonzepte. Nur für das Konzept, max. 10.000 €.N-BankIntegrierte Quartierskonzepte
Rheinland-PfalzWärmewende im Quartier – Zuweisungen für integrierte Quartierskonzepte und SanierungsmanagementMueefWärmewende im Quartier
Schleswig-HolsteinEnergetische StadtsanierungIB.SHEnergetische Stadtsanierung
ThüringenKlima Invest – Kommunale Klimaschutz- und KlimafolgenanpassungsmaßnahmenAufbaubankKlima-Invest

Die Förderdatenbank des BMWi biete eine gute Übersicht um zu prüfen, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, die auf die jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort am besten passen. Es existieren viele länderspezifische Förderprogramme, die ebenfalls mit der KfW 432 Förderung vergleichbare Programme aufgestellt haben. Exemplarisch sind nachfolgend einige davon dargestellt:

BundeslandName des ProgrammesFörderbankLink
BayernKlimaschutz in KommunenLfAKommKlimaFöR
Mecklenburg-VorpommernRegenerative Energieversorgung für Kommunen im ländlichen RaumStaluRichtlinie
Nordrhein-WestfalenProgrammbereich Klimaschutz und -anpassung in KommunenNrw.bankprogress.nrw

Organisatorische Umsetzung

Grundsätzlich muss die Kommune den Antrag für das Förderprogramm stellen. Für die Beantragung muss eine Vorhabensbeschreibung eingereicht werden, die folgende Punkte abdecken muss (3):

  • Angaben zum Quartier (Grenzen, Akteure)
  • die energetische und (städte-) bauliche Ausgangssituation
  • Zielsetzung
  • Arbeitsschritte sowie
  • Projektablaufplan

Praxisbeispiel

Der Ortsteil Dörpum der Gemeinde Bordelum in Nordfriesland setzt das Förderinstrument KfW 432 ein, um eine 100%ige Eigenversorgung durch erneuerbare Energien zu erzielen. Es ist der Anspruch, eine bedarfsgerechte und nicht nur bilanzielle Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien aufzubauen. Das Konzept sieht vor, erneuerbaren Strom u.a. von der örtlichen Biogasanlage in Dörpum zu nutzen. Mit Hilfe eines Direktvermarkters soll der „eigene“ Strom an die Haushalte der Gemeinde geliefert werden. Außerdem wird ein bestehendes geschlossenes Verteilernetz (Arealnetz) im Rahmen einer Fallstudie betrieben. Ein langfristiges Ziel ist es, ein Gemeindewerk aufzubauen, welches die Netzkonzession übernimmt. Die Konzeptdetails sind in (4) nachzulesen.

Interessant ist die effiziente Nutzung der KfW 432-Förderprogrammes: Zuerst wurde für den Ortsteil Dörpum das Konzept erstellt, welches bereits mit einem Umsetzungsmanagement in der Umsetzungsphase ist. Derzeit wird für die gesamte Gemeinde Bordelum das nächste Konzept erstellt und auch hier kann, nach der Planungsphase, wieder ein Umsetzungsmanagement finanziert werden. Auf diese Weise kann über mehrere Jahre Personal finanziert werden, um den Umbau der Kommune langfristig zu begleiten.

Kontakt für Fragen zu Dörpum und Bordelum:

Lukas Schmeling, EcoWert 360° GmbH – er hat das Konzept für Dörpum mit entworfen und ist nun Teil des Umsetzungsmanagements.

Tel.: +49 (0) 461 16 77 96 50, Mobil: +49 (0) 160 – 99 153 205

Email: lukas.schmeling@ecowert360.de

Zum Weiterlesen

1. Heinrich, S.; Langreder, N.; Rau, D.; Falkenberg, H.; Meißner, K. Evaluierung des Förderprogramms „Energetische Stadtsanierung – Zuschuss“ [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-alle-Evaluationen/Prognos-Endbericht-Evaluation-KfW-Programm-432-(final).pdf

2. BMUB (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit). Energetische Stadtsanierung in der Praxis. Umsetzungserfolge und Herausforderungen für die Zukunft [online], 2017. Verfügbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/bauen/energetische-stadtsanierung-3.pdf?__blob=publicationFile&v=4

3. KfW (Kreditinstitut für Wiederaufbau). Merkblatt energetische Stadtsanierung – Zuschuss [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.kfw.de/Download-Center/F%C3%B6rderprogramme-(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente/6000002110-M-Energetische-Stadtsanierung-432.pdf

4. Schmelling, L.; Klammer, J. Dörpum 100 % erneuerbar. Abschlussbericht zur Erstellung eines integrierten Quartierskonzeptes [online], 2018. Verfügbar unter: http://www.bordelum.de/images/PDF/Abschlussbericht_D%C3%B6rpum_Internet_I.pdf