Regionale Grünstromvermarktung

von Marinus Schnitzlbaumer und Ines Wilkens

Warum sollte man auf dieses Geschäftsmodell umsteigen?

Für Anlagenbetreiber kann es lohnend sein, den produzierten Strom in Kooperation mit einem Direktvermarkter oder einem Energieversorgungsunternehmen in einem regionalen Grünstromprodukt anzubieten, um Mehreinnahmen gegenüber der normalen EEG-Marktprämie zu schaffen oder auch nach Ablauf der Förderung noch eine Vermarktungsmöglichkeit zu finden. Zusätzlich kann damit die Akzeptanz für EE-Projekte vor Ort gesteigert werden.

Beschreibung der Handlungsempfehlung

Die regionale Vermarktung des Stroms aus EE-Anlagen ist für Anlagen, die über das EEG eine Förderung beziehen, lange Zeit wegen des Doppelvermarktungsverbotes nicht möglich gewesen. Mit der Einführung des Regionalnachweisregisters im EEG 2017 und seinem Start Anfang 2019 ist es EEG-Anlagenbetreibern, die nach Marktprämie gefördert werden, nun möglich, für den produzierten Strom sogenannte Regionalnachweise ausstellen zu lassen. Damit entsteht die Option, den eigenen EE-Strom als regionalen Grünstrom an Kunden in der Umgebung zu vermarkten. Doch auch abseits dieses Mechanismus sind in den letzten Jahren Strommarken entstanden, die über verschiedene Wege wie beispielsweise virtuelle Anlagencluster Grünstrom aus der Region anbieten.

Stand der Entwicklung 

Nach eigenen Recherchen über das Internet gibt es über 50 verschiedene regionale Grünstrommarken, von denen ein Großteil das Regionalnachweisregister nutzt (Stand 2021). Abbildung 1 gibt die Verteilung der untersuchten Produkte an, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht. Ein Abgleich mit öffentlichen Daten des Regionalnachweisregisters zeigt, dass vermutlich noch weitere Anbieter Regionalstrom vertreiben. Die Angebote sind allerdings häufig schwer erkennbar, da kein aktives Marketing angeboten wird (vgl. (1)).


Abb. 1: Recherchierte Grünstrommarken nach Vermarktungsform (eigene Darstellung)

Insgesamt konnten im Internet 38 Anbieter gefunden werden, die Regionalstrom über das Regionalnachweisregister anbieten, wobei 7 davon sich unter einem gemeinsamen Label vermarkten. Die übrigen 17 Anbieter bieten Produkte an, die sich als Regionalstrom bezeichnen, allerdings auf eine offizielle Zertifizierung verzichten. Ein Großteil davon (12 Stück) nutzen eine softwaregestützte Direktvermarktung über virtuelle Kraftwerke. Einer der anderen Anbieter verkauft Strom aus Herkunftsnachweisen und fördert über einen Aufpreis regionale Stromprojekte. Die übrigen Anbieter nennen ihr Produkt Regionalstrom, ohne erkennen zu lassen, welches Geschäftsmodell dabei umgesetzt wird. 24 der untersuchten Strommarken haben Biogasanlagen in ihrem Portfolio, weitere 9 würden diese aufnehmen. Die restlichen Anbieter beschränken sich in ihrem Angebot auf Windkraft-, PV- bzw. Wasserkraftanlagen. Im Vergleich zu einer Recherche Anfang 2020 hat sich die Anzahl an Regionalstromprodukten, die identifiziert werden konnten, in etwa verdoppelt, was zeigt, dass hier eine große Dynamik in diesem Geschäftsfeld ist.    
Die Verteilung innerhalb Deutschlands zeigt eine relativ hohe Abdeckungsrate. In Abbildung 2 sind alle Postleitzahlengebiete farbig markiert, die im 50 km Postleitzahlen-Radius von einem oder mehreren der recherchierten Anbieter liegen. Dabei wurde unterschieden zwischen denen, die Biogasanlagen im Portfolio haben, solchen, die welche aufnehmen würden und denen, die sich auf Wind und Solar beschränken.


Abb. 2: Regionale Grünstrommarken mit PLZ-Gebieten (eigene Darstellung)

Laut einer Untersuchung von Huenke et al. (2) ist die Zahl der angemeldeten Anlagen im Regionalnachweisregister im Vergleich zum Jahresende 2019 in etwa verdoppelt. Mitte Februar 2021 waren insgesamt 356 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1.058 MW gemeldet (vgl. Abbildung 3). Die meisten Erzeuger sind PV- oder Windkraftanlagen gefolgt von Biogas und Wasserkraft. Bezogen auf die installierte Leistung dominiert die Windkraft. Biogasanlagen machen bis jetzt nur etwa 6 % der gesamt installierten Leistung im Regionalnachweisregister aus und knapp 20% an der Anlagenanzahl.


Abb. 3: Anlagen im Regionalnachweisregister (eigene Darstellung nach (2))

Bei der konventionellen Stromkennzeichnung ist grundsätzlich nur der Prozentsatz als Grünstrom ausgewiesen, der den Anteil ausmacht, der über die EEG-Umlage der Kunden finanziert wurde. Um ein Produkt anbieten zu können, dass vollständig grün gekennzeichnet ist, müssen für die restlichen Anteile sogenannte Herkunftsnachweise gekauft und entwertet werden. Diese werden in Deutschland nur für ungeförderte EE-Anlagen ausgegeben, da nach §80 EEG ein Doppelvermarktungsverbot für Anlagen besteht, die über das EEG gefördert werden. Da nur etwa 0,2% der EE-Anlagen in Deutschland nicht über das EEG gefördert sind, wird ein Großteil der Herkunftsnachweise aus dem europäischen Ausland bezogen. Im Jahr 2020 wurden über 80 % der entwerteten Herkunftsnachweise importiert, die meisten davon aus norwegischer Wasserkraft (2). In nachfolgender Abbildung ist eine beispielhafte Stromkennzeichnung mit Herkunftsnachweisen dargestellt:


Abb. 4: Grünstromkennzeichnung mit Herkunftsnachweis (Eigene Darstellung nach (6))

Mit Einführung des Regionalnachweisregisters gibt es nun die Möglichkeit, auch den Strom von durch das EEG geförderten EE-Anlagen regional zu vermarkten, in dem Regionalnachweise bezogen werden. Dabei werden pro kWh Strom Zertifikate ausgestellt, die die regionale Eigenschaft der Anlage bestätigen, an Direktvermarkter weitergegeben und von Kunden entwertet werden können. Regionalität wird in diesem Sinne als das Postleitzahlengebiet festgelegt, dass sich innerhalb eines 50 km Radius um die Anlage bzw. um den Verbraucher befindet. Für ein vollständig grünes Regionalstromprodukt müssen dennoch zusätzlich Herkunftsnachweise entwertet werden, da Regionalnachweise nur für den Anteil des „EEG-geförderten Stroms“ angewendet werden können sind. Die Abbildung 5 zeigt die Stromkennzeichnung einer regionalen Grünstrommarke mit Regionalnachweisen:



Abb. 5: Regionale Grünstromkennzeichnung (eigene Darstellung nach (6))

Für das Ausstellen von Regionalnachweisen wird nach § 53b EEG für diesen Stromanteil die Marktprämie durch das EEG um 0,1 ct/kWh reduziert. Die Entwertung der Zertifikate ist von der physischen Stromlieferung entkoppelt und es findet eine rein bilanzielle Übertragung statt. Die genauen Vorgänge und Pflichten zu Anmeldung und Nutzung des Regionalnachweisregisters sind in der Herkunfts- und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung (HkRNDV) festgelegt. Ergänzend gibt die Herkunfts- und Regionalnachweis- Gebührenverordnung (HkRNGebV) Auskunft darüber, welche Kosten dabei zu entrichten sind.

Alternative Stromvermarktungsmodelle können auch ohne die Nutzung von Regionalnachweisen im Rahmen der geförderten Direktvermarktung umgesetzt werden. In diesem Fall ist eine offizielle Kennzeichnung als regionaler Grünstrom nicht möglich. Meistens wird die Stromherkunft dann über andere Mechanismen vermittelt wie beispielsweise virtuelle Anlagenpools, in denen die Kunden einsehen können, welche Erzeuger bilanziell den Strom produzieren. Welche genauen rechtliche Hintergründe dabei zu beachten sind, wie beispielsweise bezogen auf das Wettbewerbsrecht, ist in (4) im Detail beschrieben.

Eine weitere Möglichkeit ist die Vermarktung über die sonstige Direktvermarktung. Dann bleibt die Grünstromeigenschaft erhalten und es müssen keine zusätzlichen Zertifikate entwertet werden. Da ein Umstieg für Anlagenbetreiber allerdings den Verzicht auf die Förderung durch die Marktprämie bedeutet, ist dieses Modell für Biogasanlagen in der Regel unwirtschaftlich.

Wirtschaftlichkeit

Je nach Anzahl der jährlich ausgestellten und übertragenen Regionalnachweise ist neben einer Gebühr pro Vorgang von den Anlagenbetreibern ein entsprechender Jahresbeitrag zu bezahlen. Für eine einfach flexibilisierte Anlage mit 1.100 kW installierter Leistung würde das zusammen mit der reduzierten Marktprämie folgenden jährlichen Kosten-/Ertragsminderungen entsprechen, wenn davon ausgegangen wird, dass der Vertriebspartner die administrativen Aufgaben des Regionalnachweisregisters übernimmt und somit keine weiteren Transaktionskosten für den Betreiber anfallen:

In dieser Beispielrechung fallen spezifische Kosten von ca. 0,11 ct/kWh an. Dem gegenüber steht der potenzielle Mehrerlös, der durch die regionale Grünstrommarke entstehen kann. In einer Recherche (Aug. 2021) wurden 27 regionalen Grünstrommarken mit den normalen Stromprodukten der jeweiligen Anbieter verglichen. Im Durchschnitt war für einen zwei Personenhaushalt (2.500 kWh/a) der Regionalstrom ca. 1,05 ct/kWh bzw. 2,40 € pro Monat teurer als der normale Tarif, der in vielen Fällen ebenfalls als Grünstrom angeboten wurde. Wie in nachfolgender Abbildung zu sehen, sind die Unterschiede zwischen den Anbietern dabei zum Teil sehr groß:



Abb. 6: Rechercheergebnisse Mehrkosten von regionalen Grünstromprodukten (eigene Darstellung)

Bezogen auf die Zahlungsbereitschaft der Kunden wäre laut einer aktuellen Onlineumfrage des Umweltbundesamtes knapp ein Drittel aller Befragten dazu bereit, mehr für regionalen Grünstrom zu bezahlen, 44 % davon ca. 5 € pro Monat, 28 % sogar mehr als 10 € (1). Laut einer Studie von Günther et al. (5) liegt die Mehrzahlbereitschaft für 100 % regionalen Grünstrom bei 17 € im Monat, wobei an dieser Stelle angemerkt wurde, dass dieser Wert von den Befragten aufgrund des starken Regionalbezuges der Umfrage vermutlich zu hoch eingeschätzt wurde.          

Für die Betreiber, die nach Marktprämienmodell vergütet werden, ist ein zusätzlicher Erlös zu erwarten. Aufgrund des geringen finanziellen und operationellen Mehraufwandes ist die regionale Grünstromvermarktung mit Regionalnachweisen als wirtschaftlich sinnvoll anzusehen.           

Das Risiko dabei liegt allerdings in der Abhängigkeit vom Direktvermarkter. Einerseits entscheiden die Vertragskonditionen über die erzielbaren Erlöse, andererseits ist zu erwarten, dass möglichst langfristige Verträge gewünscht sind, insbesondere, da viele Stromprodukte sich gerade im Aufbau befinden und man den Kunden auch für einen langen Zeitraum regionalen Grünstrom anbieten möchte. Damit stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten nach Ablauf der EEG-Förderung bestehen. Auch wenn dieses Problem zunächst von den Direktvermarktern geklärt werden muss, kann es dennoch sein, dass diese nicht dazu bereit sind, Anlagen aufzunehmen, deren Förderperiode demnächst abläuft. Die Unsicherheiten bei der Teilnahme an der Folgeförderung (endogene Mengensteuerung, Südquoten, vgl. Handlungsempfehlung Folgeförderung) durch das Ausschreibungsmodell verstärken dieses Risiko entsprechend. Eine weitere Unsicherheit besteht außerdem, wenn Regionalnachweise erstellt werden, diese allerdings nicht entwertet werden können. Das kann beispielsweise geschehen, wenn noch nicht genügend Kunden sich für das regionale Grünstromprodukt entschieden haben. In diesem Fall wird trotzdem die Marktprämie reduziert. Da Regionalnachweise allerdings für einen Zeitraum von zwei Jahren gültig bleiben, ist dieses Risiko als gering einzuschätzen.

Ökologie

Da keine Veränderungen im Betriebsablauf gefordert sind, ist der Einfluss auf die Ökologie aus Betreibersicht gleichbleibend wie beim normalen Betrieb beispielsweise in der 10-jährigen Anschlussförderung. Wenn allerdings die Nachfrage nach regionalem Grünstrom zunimmt, was durch eine bessere Abdeckung bzw. einer grundsätzlichen Teilnahme an einem solchen Stromprodukt unterstützt wird, so wird gegebenenfalls ein Anreiz geschaffen, dass zusätzliche EE-Projekte in der Region durchgeführt werden. Auf bilanzieller Ebene steigt damit der Grad der regionalen Versorgung mit EE an, was entsprechend fossile Erzeuger verdrängen kann.

Organisatorische Umsetzung

Als erster Schritt muss ein geeigneter Direktvermarkter gefunden werden, der für eine Kooperation bereit ist. Es empfiehlt sich zunächst, regionale Strommarken in der Umgebung zu suchen, da diese in der Regel häufig zusätzliche Erzeuger mit aufnehmen wollen. Dabei ist das 50 Kilometer PLZ-Gebiet zu beachten, wonach ggf. auch größere Städte in Betracht gezogen werden sollten. Wenn kein geeigneter Partner gefunden werden kann, gibt es auch die Möglichkeit, deutschlandweit agierende Anbieter zu prüfen, die ebenfalls Regionalstrom vertreiben. Wenn keine Teilnahme an einem bestehenden Produkt möglich ist, können außerdem Stadtwerke in der Region angefragt werden, ob diese Interesse an einer Kooperation hätten. Für die Direktvermarkter stellen beim Aufbau einer Regionalstrommarke die Anzahl der Erzeugungsanlagen in der Regel ein Hindernis dar, da erst eine gewisse Menge vorhanden sein muss, um eine Versorgung zu garantieren (vgl. (3)). Entsprechend können Anlagenbetreiber so möglicherweise auch direkt am Aufbau eines regionalen Grünstromproduktes teilhaben.

Ist ein Vermarktungspartner gefunden und die vertraglichen Rahmenbedingungen festgelegt, gibt es für die Betreiber kaum zusätzlichen Aufwand: Technisch gibt es keine Anforderungen zur Ausstellung von Regionalnachweisen, da der Netzbetreiber entsprechend dafür zuständig ist, die produzierten Strommengen einmal monatlich an das Umweltbundesamt weiterzugeben. Auf der operationellen Seite entsteht für die Betreiber grundsätzlich ebenfalls kein Mehraufwand, sofern der Direktvermarkter sich um die Verwaltung des Regionalnachweisregisters kümmert. Es muss lediglich ein Nutzerkonto im Register erstellt und eine entsprechende Vollmacht ausgestellt werden. Die Details hierzu können in §§21 und 23 HkRNDV nachgelesen werden.

Praxisbeispiele

Die Biogasanlage des Bioenergiedorfes Möggingen ist Teil der regionalen Grünstrommarke der Stadtwerke Radolfzell. Es werden Regionalnachweise erstellt und Kunden innerhalb eines 50 km PLZ-Gebiet können somit bilanziell Grünstrom aus der Biogasanlage beziehen. Verglichen zum regulären Grünstromtarif der Stadtwerke kostet der Regionalstrom 2,56 ct/kWh oder 5,34 € im Monat mehr. Das Marketingkonzept zielt darauf ab, den Kunden zu vermitteln, dass Sie nicht nur bei der Wahl der Lebensmittel auf Regionalität achten sollten, sondern auch beim Strom. Derzeit (Stand: 11/2021) sind 8,2 Prozent des Stromes als Regionalstrom gekennzeichnet. Weitere Informationen sind auf der Webseite der Stadtwerke zu finden.

Im Bioenergiedorf Linnau wirdmit dem Anbieter Nordgröön kooperiert. Die Vermarktung des Regionalstromproduktes Frischer Nordwind findet dabei ohne gesetzliche Regional- oder Herkunftsnachweise statt. Dafür wird auf einer Karte visualisiert, wo die Erzeuger sich befinden, die Teil des Anlagenpools sind. Zusätzlich wird jedem Kunden angezeigt, wie viele Kilometer die jeweiligen Erzeuger von ihnen entfernt liegen. Es wird argumentiert, dass die Kunden sich selbst ein Bild der Stromherkunft machen können, ohne dass Zertifikate erworben werden müssen. Genauere Informationen zum Konzept von Nordgröön finden sich auf deren Homepage.

Zum Weiterlesen

(1). Mundt, J.; Claas-Reuther, J.; Maaß, C.; Wallbott, T.; Dohles, N. (2021): Ausweisung von regionalem Grünstrom in der Stromkennzeichnung. Verfügbar unter:        
https://www.umweltbundesamt.de/en/publikationen/ausweisung-von-regionalem-gruenstrom-in-der

(2). Huenke, F.; Claußner, M.; Ritter, D.; Seebach, D. (2021): Monitoring der Direktvermarktung. Jahresbericht 2020 & Ausblick in 2021. Verfügbar unter: https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/Berichte/monitoring-der-direktvermarktung-jahresbericht-2020-und-ausblick-2021.pdf;jsessionid=6CBEE37EDD391DE1CE604E4207D39A83?__blob=publicationFile&v=4

(3). Lehmann, N.; Müller, J.; Ardone, A.; Karner, K.; Fichtner, W. (2020): Regionalität aus Sicht von Energieversorgungsunternehmen – Eine qualitative Inhaltsanalyse zu Regionalstrom in Deutschland. Verfügbar unter: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000127746

(4). Fietze, D.; Papke, A.; Wimmer, M.; Antoni, O.; Hilpert, J. (2020): Der Rechtsrahmen für regionale Peer to Peer‐Energieplattformen unter Einbindung von Blockchains. Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 16, September 2020. Verfügbar unter: https://stiftung-umweltenergierecht.de/wp-content/uploads/2020/10/Stiftung_Umweltenergierecht_WueStudien_16_Rechtsrahmen_Energieplattformen_pebbles_2.pdf

(5). Günther, N.; Fait, L.; Groh, E; Wetzel, H. (2019): Gibt es eine Zahlungsbereitschaft für regionalen Grünstrom? In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 69. Jg. (2019) Heft 11, S.35-38.

(6). Cielejewski, L., Wetzel, H., Wilkens, I., 2017. Regionale Vermarktung von Grünstrom. In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 67, S.53-56

Umstieg auf Vergütung nach KWKG – innovative KWK

Warum sollte man auf diese Technik/Entwicklung umsteigen?

Der Aufbau eines innovativen KWK-Systems ermöglicht die Teilnahme an der entsprechenden Ausschreibung nach KWKG. Diese Förderung kann unter bestimmten Voraussetzungen einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb unterstützen.

Beschreibung der Handlungsempfehlung

Falls nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Vergütung eine Teilnahme an der EEG-Ausschreibung für weitere 10 Jahre nicht möglich oder gewünscht ist oder bereits zu Ende geht, stellt eine Förderung nach Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) eine Möglichkeit dar, den Betrieb der Biogasanlage und des Nahwärmenetzes weiterzuführen. Ab einer installierten BHKW-Nennleistung von 1 MW kommt dabei die Teilnahme an der Ausschreibung für innovative Kraft-Wärme-Kopplung (iKWK) in Frage. Dabei wird eine möglichst flexible stromgeführte Fahrweise der KWK-Anlage verfolgt, während das Wärmenetz durch weitere erneuerbare Wärmeerzeuger ergänzend versorgt wird. In einem iKWK-System kann flexibel auf Schwankungen im Stromnetz reagiert und entsprechend die Erlöse an der Strombörse maximiert werden. Diese Flexibilität kann weiter gesteigert werden, indem ein zusätzlicher Wärmespeicher für das Nahwärmenetz errichtet wird, was ebenfalls über das KWKG förderbar ist. Kleinere Anlagen können an der normalen KWKG-Ausschreibung teilnehmen und werden für weitere EE-Wärmeerzeuger zusätzlich gefördert. Diese Option ist für Biogasanlagen allerdings nur bedingt wirtschaftlich, weshalb diese Handlungsempfehlung sich hauptsächlich auf innovative KWK-Systeme konzentriert.

Innovative KWK-Systeme

Innovative KWK-Systeme zeichnen sich darüber aus, dass stets ausreichend Wärme für das Netz zur Verfügung gestellt wird, während das BHKW stromgeführt betrieben werden kann. Im System wird außerdem ein möglichst hoher Anteil von Wärme aus erneuerbaren Energien angestrebt. Dazu wird die KWK-Anlage mit einem sogenannten innovativen erneuerbaren Wärmeerzeuger sowie einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem gemeinsam gesteuerten System zusammengeschlossen. Als innovative erneuerbare Technologien zählen in diesem Zusammenhang solarthermische oder geothermische Anlagen sowie elektrisch oder biogasbetriebene Wärmepumpen (s. hierzu auch (8)). Elektrische Wärmeerzeuger können beispielsweise eine Nachtspeicherheizung oder ein Elektrodenkessel sein. Der grundsätzliche Aufbau eines iKWK-Systems ist in Abbildung 1 dargestellt:

Abbildung 1: iKWK-System (eigene Darstellung nach (2))

Die KWK-Anlage wird mit Biogas oder Biomethan nur in den Zeiten betrieben, in denen Strom im Netz benötigt wird. Für zusätzliche Flexibilität wird ein elektrischer Wärmeerzeuger eingebunden. Dieser wird mit Strom aus einem der BHKWs, Netzstrom oder Strom aus anderen erneuerbaren Energien vor Ort versorgt. Dabei ist zu beachten, dass andere EE-Erzeuger nur Strom liefern dürfen, sofern sie nicht mehr über das EEG gefördert werden (Eigenversorgungsverbot nach §27a EEG). In Zeiten, in denen viel (EE-)Strom im Netz vorhanden ist, kann dieser sowie der KWK-Strom zur Wärmeerzeugung genutzt werden (1). Dadurch soll das Stromnetz entlastet und das Abregeln von EE-Stromerzeugern reduziert werden.

Stand der Entwicklung

Da die meisten Betreiber von Biogasanlagen noch regulär über das EEG gefördert werden, wurde für diese ein Umstieg auf iKWK derzeit noch nicht umgesetzt. Analog zum Ausschreibungsmodell des EEG werden im KWKG auf anzulegende Werte in cent pro kWh Strom geboten. Das Ausschreibungsvolumen für iKWK beträgt 50 MW im Jahr, die sich auf zwei Gebotstermine aufteilen. Der Höchstwert der Gebote beträgt 12 ct/kWh. Bisher liegen die durchschnittlichen Zuschlagswerte bei etwa 10,9 ct/kWh und damit niedriger als im Ausschreibungsmodell über das EEG. Abbildung 2 stellt die bisherigen Ausschreibungsergebnisse zusammen, wobei die Zahlen den jeweiligen durchschnittlichen Zuschlagswert in ct/kWh bezeichnen.

Abbildung 2: : Ausschreibungsergebnisse iKWK bis Juni 2021 (eigene Darstellung nach (3))

Die Zuschläge teilen sich in der Regel auf wenige Bieter auf, es scheinen bisher also primär größere Projekte an den Ausschreibungen teilzunehmen. Die angebotenen Mengen wurden in den letzten Ausschreibungsrunden weitestgehend ausgeschöpft. Dass ein Zuschlag erhalten wird, kann also nicht in jedem Fall garantiert werden, so dass hier Unsicherheiten für Bieter in der Gebotsabgabe bestehen.

Rechtliche Situation

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als iKWK-System können §24 der KWK-Ausschreibungsverordnung (KWKAusV) entnommen werden. Demnach muss die verwendete KWK-Anlage eine installierte Leistung zwischen 1 MW und 10 MW besitzen, neu oder modernisiert und hocheffizient sein und mit Biogas oder Biomethan betrieben werden. Die innovativen erneuerbaren Wärmeerzeuger müssen fabrikneu sein und zusammen mindestens 30 % der Referenzwärme (also der Nutzwärme, die die KWK-Anlage mit 3.000 Vollbenutzungsstunden bereitstellen kann) im Jahr decken können. Weiter müssen sie zusammen eine Jahresarbeitszahl von mindestens 1,25 erreichen. Der elektrische Wärmeerzeuger muss ganzjährig zu jeder Zeit mindestens 30 % der KWK-Wärme bereitstellen können. Es ist eine stromseitige und (unmittelbar) wärmeseitige Verbindung zum BHKW notwendig (1).

Der Zeitraum der Vergütung ist an die Anzahl der Vollbenutzungsstunden geknüpft und bei den iKWK-Ausschreibungen auf 45.000 Stunden begrenzt (§19 KWKAusV). Im Jahr werden maximal 5.000 Stunden vergütet, was sich bis 2025 gestaffelt auf 3.500 Stunden reduziert (§8 Abs. 4 KWKG). Der produzierte Strom darf nur in das öffentliche Netz eingeleitet und abseits des elektrischen Wärmeerzeugers sowie des BHKW-Hilfsstroms nicht selbst verbraucht werden (vgl. §6 Abs. 3 KWKG). Grundsätzlich ist eine Kumulierung mit anderen Förderinstrumenten nicht erlaubt, es gibt allerdings Ausnahmefälle (vgl. §7 Abs. 5 KWKG).
Die genauen Voraussetzungen zur Teilnahme bei den Ausschreibungen sind in der KWK-Ausschreibungsverordnung (KWKAusV) geregelt und in (2) zusammengefasst. Detailliertere Informationen zum KWKG können in (4) nachgelesen werden.

Die Errichtung eines zusätzlichen Wärmespeichers wird über das KWKG einmalig gefördert, sofern die Wärme überwiegend aus KWK-Anlagen stammt, der Speicher größer als 1 m³ ist und die mittleren Wärmeverluste 15 W/m² nicht übersteigen. Es werden 250 €/m³ zugezahlt, für Wärmespeicher größer 50 m³ maximal 30 % der Investitionssumme, allerdings nicht mehr als 10 Mio. € (vgl. §§22,23 KWKG).

Wirtschaftlichkeit

Die nachfolgende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist auf viele Annahmen gestützt und kann als erste überschlägige Betrachtung gesehen werden. Für eine detaillierte Bewertung eines solchen komplexen Systems, in dem die einzelnen Komponenten stark miteinander verzahnt sind und sehr vor den örtlichen Rahmenbedingungen abhängen, ist eine vor-Ort-Analyse mit Jahressimulationen unerlässlich. Im Beispiel wird ein Szenario einer Biogasanlage mit 1.000 kW installierter BHKW Leistung untersucht, die auf ein iKWK-System umgestellt werden soll. Als erneuerbarer Wärmeerzeuger dient ein neues Solarthermiefeld mit Vakuumröhrenkollektoren. Ein Elektrodenheizkessel wird als zusätzlicher elektrischer Wärmeerzeuger angeschafft. Außerdem soll ein zusätzlicher Wärmespeicher errichtet werden, um die stromgeführte BHKW-Fahrweise sowie die Solarthermieproduktion zu optimieren. Die Auslegung der Komponenten erfolgt nach den Vorgaben der KWKAusV und dem bisherigen Wärmebedarf:

Tabelle 1: Auslegungsbeispiel iKWK-System

Durch die zusätzlichen Komponenten kann die erforderliche Wärmelast auch mit geringeren BHKW-Betriebsstunden gedeckt werden. Das bedeutet einerseits, dass weniger Substrate im Fermenter benötigt werden oder auch dass ein verstärkter Einsatz von energieärmeren Pflanzen bzw. Reststoffen möglich ist. Außerdem steigt die Lebensdauer des Motors auf über 20 Jahre an, da diese maßgeblich von den Betriebsstunden abhängig ist. Welche Kosten dabei entstehen und ob das Modell wirtschaftlich ist, wird nachfolgend überschlägig berechnet:

Tabelle 2: Wirtschaftlichkeit iKWK-System

Innovative KWK-Systeme liefern grundsätzlich den Vorteil, dass durch die zusätzlichen Wärmeerzeuger und ggf. dem zusätzlich geförderten Wärmespeicher ein sehr hohes Maß an flexibler Stromerzeugung möglich ist, was in diesem Beispiel mit einem durchschnittlichen Zusatzerlös von 1,5 ct/kWhel berücksichtigt wurde.
Es zeigt sich, dass bei einem vollständigen Absatz der Wärme ein iKWK-System in dieser Größenordnung wirtschaftlich umsetzbar wird. Aufgrund der vielen Unsicherheiten wie den Ausschreibungsergebnissen, Rohbiogaskosten, zusätzlichen Stromerlösen an der Börse etc. ist dieses Konzept für Bioenergiedörfer nur zu empfehlen, wenn eine detaillierte vor-Ort Planung wirtschaftliche Potenziale zeigt.

Für kleinere Anlagen, deren installierte KWK-Leistung unter 1 MW liegt, ist keine Förderung über iKWK möglich. Ein zusätzlich installierter Wärmeerzeuger wie beispielsweise Solarthermie, wird über den Bonus für innovative erneuerbare Wärme nach §7b KWKG zusätzlich zu der Förderung über die gewöhnliche KWKG-Ausschreibung unterstützt. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag dabei in den letzten Jahren bei etwa 5,1 ct/kWh dazu kommen 3,0 ct/kWh bei einer 30-prozentigen innovativen erneuerbaren Wärmenutzung. Die entsprechende GuV-Rechnung einer 500 kW-Biogasanlage zeigt unter diesen Voraussetzungen jährliche Überschüsse von etwa 10.000 €, was angesichts der unsicheren Rahmenbedingungen sehr riskant wirkt. Für post-EEG-Anlagen lohnt es sich allerdings in jedem Fall zu prüfen, ob sich das Modell rechnen kann.

Ökologie

Ähnlich der Handlungsempfehlung zum Ausschreibungsmodell hängt auch hier der ökologische Nutzen primär von den eingesetzten Substraten in der Biogasanlage ab. Da bei einer Förderung über das KWKG keine Vorgaben bezüglich der Einsatzstoffe gegeben sind, ist davon auszugehen, dass durch den erhöhten Preisdruck vermehrt günstigere Substrate eingesetzt werden. Würden vermehrt Wirtschaftsdünger statt Mais und andere Anbausubstrate eingesetzt, hätte das durchaus einen positiven Umwelteffekt, da Methanemissionen bei der Lagerung von Wirtschaftsdüngern vermieden würden. Ein Rückgang der Biogasproduktion beim Einsatz von Wirtschaftsdüngern wäre durch das flexible Wärmeversorgungssystem unschädlich, da ein Teil der Wärme aus einer CO2-neutralen Quelle wie beispielsweise Solarthermie bezogen wird. Auch die Möglichkeit, den elektrischen Wärmeerzeuger für Bedarfsspitzen zu verwenden, kann den Einsatz von (meist noch fossil betriebenen) Spitzenlastkesseln reduzieren und sorgt gleichermaßen für einen geringeren Umwelteinfluss.

Organisatorische Umsetzung

Die Umstellung auf ein iKWK-System erfordert neben der Anschaffung der entsprechenden Anlagenteile ebenfalls eine gezielte Regelungstechnik für die einzelnen Komponenten, um die stromgeführte Fahrweise des BHKW umzusetzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass stets ausreichend Wärme zur Verfügung steht. Es gibt bereits Anbieter am Markt, die entsprechende Komplettlösungen anbieten und auch die Planung und Umsetzung des Vorhabens unterstützen. Mit der VK-Box bietet der Anbieter VK Energie beispielsweise eine zentrale Steuerung an, die das gesamte iKWK-System optimiert. Auch der Energiedienstleister AVAT bietet Komplettlösungen für einen optimierten Einsatz eines solchen Systems. Das Unternehmen Energethik ist nicht auf iKWK-Systeme spezialisiert, geht allerdings einen ähnlichen Weg, der insbesondere für Biogasanlagenbetreiber ebenfalls interessant sein kann: Durch den Einsatz von großen Gas- und Wärmespeichern wird eine stromgeführte Fahrweise des BHKW möglich. Die Einbindung von Power-to-Heat im Gesamtsystem ist in diesem Konzept auch vorgesehen, so dass der Aufbau eines iKWK-Systems auch hier grundsätzlich gut möglich ist (5).

Praxisbeispiele

Bisher wurden die häufigsten iKWK-Projekte durch Stadtwerke durchgeführt. Der erneuerbare Wärmeerzeuger wird in vielen Fällen mit Wärmepumpen oder Solarthermie umgesetzt. In Camphausen beispielsweise wird als Wärmequelle Grubenwasser aus einem alten Steinkohlebergwerk für die Wärmepumpe und gleichzeitig Grubengas zum Betrieb des BHKW genutzt. In Hamburg dient Abwasser an einem Klärwerk als Wärmequelle für die Wärmepumpe, die mit einem hocheffizienten Gas-BHKW kombiniert wird. Die Stadtwerke Lemgo planen, ihre BHKWs mit einem knapp 1 ha großen Solarthermiefeld sowie einer Großwärmepumpe im Rahmen einer iKWK-Ausschreibung zu ergänzen. In Greifswald wird derzeit ein 7 GWh Solarthermie-Park fertiggestellt, der mit einem 250 MWh großen Speicher unterstützt wird (siehe auch (9)). Es zeigt sich, dass es für den Aufbau innovativer KWK-Systeme keinen „idealen“ Weg gibt, sondern stets die örtlichen Begebenheiten eine große Rolle im Planungs- und Umsetzungsprozess spielen.  

Zum Weiterlesen

1. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Merkblatt für innovative KWK-Systeme [online], 2018. Verfügbar unter: https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Energie/kwk_anlagen_mb_innovative_kwk-systeme.html

2. ASUE. Die KWK-Ausschreibungsverordnung [online], 2018. Verfügbar unter: https://asue.de/sites/default/files/asue/themen/blockheizkraftwerke/2018/broschueren/ASUE_KWKAusV_2018-07.pdf

3. Bundesnetzagentur (BNetzA). Beendete Ausschreibungen. Ergebnisse der Ausschreibungsrunde für innovative KWK-Systeme [online], 2021 [Zugriff am 09.02.2021]. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Ausschreibungen/KWK/BeendeteAusschreibungen/BeendeteAusschreibungen_node.html

4. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (Bdew): Umsetzungshilfe zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz – KWKG 2016 [online], 2018. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/media/documents/Awh_20180601_BDEW-Umsetzungshilfe_KWK-G-2016.pdf

5. Müller, A. BHKW des Monats. Regenerativer Energiespeicher, 2020. In: Energie und Management 1/2020. Verfügbar unter: https://www.mwm.net/files/upload/mwm/BHKW-des-Monats-1-2020.pdf

6. Agora Energiewende. Power-to-Heat zur Integration von ansonsten abgeregeltem Strom aus Erneuerbaren Energien [online], 2014. Verfügbar unter: https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/power-to-heat-zur-integration-von-ansonsten-abgeregeltem-strom-aus-erneuerbaren-energien/

7. Meißner, R. Innovative KWK mit Solarthermie [online]. Verfügbar unter:
https://www.ritter-xl-solar.de/wp-content/uploads/innovative_kwk_mit_slarthermie_f2.pdf

8. ASUE. Neues Einsatzfeld für Gaswärmepumpen: Energetische Optimierung von Biogasanlagen, [online],2020. Verfügbar unter: https://asue.de/aktuelles_presse/gaswaermepumpen-einsatz_in_biogasanlagen

9. Bröer, Guido. Konjunktur für solare Wärmenetze. In: Energiekommune 11/2021, S. 3. weitere Informationen: www.solar-district-heating.eu

Belieferung ortsnaher Dritter durch eine eigene Stromleitung

von Robert Ißler und Marinus Schnitzlbaumer

Warum sollte man auf diese Technik/Entwicklung umsteigen?

Während der 10-jährigen Förderungen nach dem Ausschreibungsmodell kann über den direkten Stromverkauf an einen nahegelegenen Betrieb ein Zusatzerlös erzielt werden (1). Hierzu ist eine eigene Stromleitung erforderlich.

Aufgrund vermiedener Netzentgelte und Stromsteuer kann dabei vertraglich ein Strompreis vereinbart werden, der für beide Seiten profitabel ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein kompetenter Direktvermarkter, der die erforderlichen rechtlichen Herausforderungen handhaben kann, die ein solches Geschäftsmodell (auch on-site PPA genannt) mit sich bringt. Mit ausreichenden rechtlichen Kenntnissen kann das Modell auch ohne einen Direktvermarkter erfolgreich sein. Des Weiteren muss ein Abnehmer gefunden werden, der sich bereit erklärt, einen möglichst langfristigen Vertrag einzugehen, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Für Biogasanlagen ist dieses Geschäftsmodell attraktiv, da diese im Gegensatz zu anderen Technologien der erneuerbaren Energien bedarfsgerecht produzieren und dem Abnehmer entsprechende Sicherheiten bieten können. Allerdings sind die Stromgestehungskosten höher. Daher ist eine gute Planung im Vorfeld notwendig, um das Geschäftsmodell auch wirtschaftlich betreiben zu können. Es sollte in jedem Fall gewährleistet sein, dass der Kunde über den direkt vermarkteten Strom hinaus Zugriff auf Strom aus dem öffentlichen Netz hat, um eventuelle Ausfälle abzusichern. Dies ist eine Aufgabe, die in der Regel der Direktvermarkter übernehmen kann.            

Ein Vorteil dieses Modells ist außerdem die Möglichkeit, dem Kunden sogenannte Herkunftsnachweise des produzierten Stromes zu übermitteln. Dieser kann damit werben, dass der Strom regional aus erneuerbaren Energien produziert wurde. Dies bedeutet für den Lieferanten in der Regel, dass er höhere Strompreise verlangen kann (2).

Stand der Entwicklung

In Deutschland sind Direktlieferungen von Strom zurzeit noch kein weit verbreitetes Modell, gewinnen aber mehr an Relevanz und werden insbesondere für post-EEG-Anlagen intensiv diskutiert. Nach der derzeitigen Rechtslage ist es grundsätzlich umsetzbar, die Entwicklungen bezüglich der netzbedingten Kosten sowie deren Vermeidung können sich allerdings zukünftig ändern. Das Potenzial von Photovoltaik und Wind wird laut einer Dena-Studie von potenziellen Stromnachfragern als höher eingestuft, für 20% der Befragten wird aber auch Biogas als relevante Technologie angesehen (3).

Rechtliche Situation

Grundsätzlich ist nach §21b Abs. 4 EEG 2021 trotz Vergütung nach dem Ausschreibungsmodell die Weitergabe von produziertem Strom an einen Dritten anteilig möglich, sofern dieser sich in unmittelbarer räumlicher Nähe befindet und der Strom nicht durch ein öffentliches Netz durchgeleitet wird, also eine eigens dafür gelegte Direktleitung genutzt wird. Es gilt also im Vorfeld zu klären, ob diese Voraussetzungen erfüllbar sind. Aufgrund des Eigenversorgungsverbotes bei Förderung nach dem Ausschreibungsmodell (§27a EEG 2011) muss sichergestellt sein, dass der Empfänger des Stroms nicht der Betreiber der Erzeugungsanlage selbst ist, da sonst der Vergütungsanspruch ersatzlos für das gesamte Kalenderjahr entfällt (vgl. §52 Abs. 1 EEG 2021). Über den Begriff der unmittelbaren räumlichen Nähe gibt es verschiedene Auffassungen. Solange die Möglichkeit besteht, eine Direktleitung zum Abnehmer zu legen, kann diese in der Regel als gegeben vorausgesetzt werden (4). Nach §12b Abs. 5 StromStV ist der Begriff „räumlicher Zusammenhang“ mit 4,5 Kilometern um die Erzeugungseinheit festgelegt.   

Rein rechtlich wird bei einer Stromlieferung durch eine private Leitung der Anlagenbetreiber zu einem Elektrizitätsversorgungunternehmen (EltVU) nach §3 Nr. 20 EEG 2021, zu einem Energieversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes und zu einem Versorger im Sinne des Stromsteuerrechts. Es empfiehlt sich, einen Direktvermarkter zu wählen, der die damit einhergehenden Pflichten erfüllen kann. Dabei ist zu beachten, dass eine der Pflichten eines EltVU darin besteht, für den gelieferten Strom die entsprechende EEG-Umlage an den Übertragungsnetzbetreiber abzuführen. Trotz der direkten Durchleitung ist diese also auf den Strompreis des Kunden aufzuschlagen. Andere typische Kosten, wie Netzentgelte, KWK-Umlage, Offshore- und StromNEV-Umlage können allerdings vermieden werden. Kreuzt die Leitung weiterhin keine öffentlichen Wege, muss in der Regel auch keine Konzessionsabgabe entrichtet werden. Für Anlagen, deren Nennleistung kleiner oder gleich 2 MW beträgt, ist außerdem eine Stromsteuerbefreiung nach §9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG vorgesehen. Zu beachten hierbei ist die Definition des Anlagenbegriffes. Wenn mehrere BHKWs in räumlicher Nähe zueinander stehen, die insgesamt über 2 MW installierte Leistung besitzen, kann laut Generalzolldirektion keine Steuerbefreiung geltend gemacht werden (vgl. 4).

Wird EE-Strom abseits der EEG-Förderung verkauft, fällt dieser laut Gesetz unter die sonstige Direktvermarktung und seine Grünstromeigenschaft bleibt erhalten. Die Grünstromeigenschaft wird durch die Ausgabe von Herkunftsnachweisen bzw. Regionalnachweisen bestätigt (vgl. §§79f EEG 2021). Diese Herkunftsnachweise werden auch als Grünstromzertifikate bezeichnet und können an Stromkunden weitergegeben werden (2). Damit kann nachgewiesen werden, dass der Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde, was aus Marketinggründen eine höhere Preisbereitschaft zur Folge hat (2).

Wirtschaftlichkeit

Die Belieferung ortsnaher Dritte empfiehlt sich nur als ergänzendes Geschäftsmodell. Die Grundfinanzierung des wirtschaftlichen Betriebes der Biogasanlage muss bspw. über eine EEG-Einspeisevergütung und die Wärmevermarktung erfolgen. Hierdurch werden die Fixkosten der Biogasanlage getragen und eine zusätzliche Stromerzeugung kann selbst dann noch wirtschaftlich sein, wenn der Anlagenbetreiber für diese Zusatzerzeugung nur maximal 12 ct/kWh erhält. Für den Stromabnehmer ergibt sich durch die weiteren Kosten der Direktversorgung ein Gesamtpreis von mindestens 20 Ct/kWh.

Inwiefern ein solches Modell wirtschaftlich sein kann, ist sehr stark von der Situation vor Ort abhängig. Es muss ein Abnehmer gefunden werden, der sich zu langfristigen Lieferverträgen bereit erklärt und durch seinen Standort das Kriterium des räumlichen Zusammenhangs erfüllt. Bezogen auf die preisliche Ausgestaltung ist eine Orientierung an den derzeitigen durchschnittlichen Industriestrompreisen hilfreich. Diese werden beispielsweise regelmäßig durch den Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft veröffentlicht (5). Es ist zu beachten, dass teilweise große regionale Unterschiede in den Strompreisen herrschen, weshalb auch hier die räumliche Lage für die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle spielt.

Für eine überschlägige Betrachtung werden die durchschnittlichen Preise aus dem Jahr 2021 mit den Kosten verglichen, die der Betreiber einer Biogasanlage für den zusätzlich produzierten Strom tragen muss. Als Berechnungsbeispiel dient eine Biogasanlage mit 500 kW Bemessungsleistung und 500 kW Zubau im Zuge der Flexibilisierung. Es wird angenommen, dass die Anlage innerhalb der 10-jährigen Folgeförderung kostendeckend betrieben werden kann. Die Berechnung der auftretenden Zusatzkosten für eine Direktlieferung an einen naheliegenden Betrieb sind nachfolgend dargestellt:

Tabelle 1: Zusatzkosten der Direktlieferung

Die Kosten summieren sich auf ca 18,70 ct/kWh. Werden noch 8 % für Gewinn und Risikopuffer aufgeschlagen, müsste der Strom für 20,19 ct/kWh verkauft werden. Dieser Preis übersteigt den durchschnittlichen Industriestrompreis von 2021 um ca. 6 %. Allerdings sind laut DIHK viele Unternehmen dazu bereit, für nachweißlich regionalen Grünstrom einen höheren Preis zu zahlen. Die akzeptierten Mehrkosten beziffern sich dabei auf etwa 2 bis 6 Prozent des derzeitigen Strompreises (6). Ist der Abnehmer im obigen Beispiel bereit rund 6 % mehr für die Grünstromeigenschaft zu bezahlen, wäre eine Direktversorgung mit einer Gewinnmarge von 8 % möglich. Der Kostenvergleich zwischen Industriestrom und Biogasstrom ohne Gewinnmarge und Risikopuffer ist in der folgenden Abbildung 2 grafisch dargestellt:

Gegenüberstellung Industriestrombestandteile und Kostenkomponenten Biogasanlage (eigene Darstellung)

Die Entwicklungen der EEG-Umlage und des Strompreises entscheiden letztlich darüber, ob das Modell zukünftig für die Biogasanlage gewinnbringend ist. Folgt die Politik bspw. den Vorschlägen der Wissenschaft, die EEG-Umlage zu senken und dafür die Stromsteuer zu erhöhen (7), profitieren beide Parteien von einem stromsteuerbefreiten Modell. Folgt der Industriestrompreis dem Anstiegstrend der letzten Jahre, werden in Zukunft die Zahlungsbereitschaft der Abnehmer und die Nachfrage nach Verträgen mit langfristig stabilen Preisen steigen. Tritt diese Entwicklung ein, so wird das Geschäftsmodell der Direktversorgung ortsnaher Betriebe deutlich an Attraktivität gewinnen.

Betriebliche Umsetzung

Eine große Herausforderung bei einem solchen Modell ist es, die Fahrpläne der BHKWs auf die verschiedenen Ziele abzustimmen. Einerseits muss stets gewährleistet sein, dass ausreichend Wärme für das Nahwärmenetz zur Verfügung steht. Zudem sollte die Stromeinspeisung in den Zeitfenstern erfolgen, in denen die Börsenstrompreise hoch sind, um somit Mehrerlöse durch die flexible Fahrweise zu erzielen. Zuletzt ist es wünschenswert, den direkt gelieferten Strom so genau wie möglich an das Lastprofil des Kunden anzupassen. Ein intelligentes Fahrplanmanagement ist also von Vorteil.     
Versorgungsunterbrechungen beispielsweise durch geplante Wartungsarbeiten müssen außerdem im Vorfeld mit dem Kunden abgesprochen werden. Bei unerwarteten Ausfällen müssen diese an den Abnehmer und Direktvermarkter gemeldet werden, was eine dauerhafte Überwachung des Anlagenbetriebes voraussetzt. Um das zu verhindern, sollten hohe Qualitätsstandards in Betrieb und Instandhaltung gesetzt werden (8).

Zum Weiterlesen

1. DBFZ, Fraunhofer IEE, vBVH. Leitfaden Flexibilisierung der Strombereitstellung von Biogasanlagen [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.dbfz.de/fileadmin//user_upload/Referenzen/Studien/20191108_LeitfadenFlex_Abschlussbericht.pdf

2. Uibeleisen, M.; Groneberg, S. Der wirtschaftliche Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen außerhalb des EEG-Förderrahmens – PPAs als Konkurrenz zum System staatlicher Fördergelder [online], 2018. Verfügbar unter: https://www.degruyter.com/view/journals/rde/18/3/article-p114.xml

3. Deutsche Energie-Agentur (DENA). Corporate Green PPAs. Umfrage zu Perspektiven nachfragegetriebener Stromlieferverträge bis 2030 [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-MARKTMONITOR_2030_Corporate_Green_PPAs.PDF

4. Bundesverband WindEnergie (BWE) (Hrsg.). Eigenversorgung, Direktlieferung, Power-to-X und Regelenergie – 2017 sonstige Erlösoptionen außerhalb des EEG [online], 2017. Verfügbar unter:
https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/03-sektorenkopplung/20180115-erloesoptionen-ausserhalb-des-eeg.pdf

5. BDEW Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW). BDEW-Strompreisanalyse Januar 2020 [online], 2020. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/media/documents/20200107_BDEW-Strompreisanalyse_Januar_2020.pdf

6. Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). IHK-Energiewende-Barometer 2018 [online], 2018. Verfügbar unter: https://www.dihk.de/resource/blob/3226/ad4e27bab2ed26ae511048f017daebca/energiewende-barometer-2018-data.pdf

7. Deutsche Energie-Agentur (Dena) (Hrsg.). Vorschlag für die Senkung der EEG-Umlage auf null. Ein Impuls für die Beschleunigung der Energiewende [online], 2020. Verfügbar unter: https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2020/KURZSTUDIE_Vorschlag_fuer_die_Senkung_der_EEG-Umlage_auf_null.pdf

8. Held, J; Koch, K. PPA für Erneuerbare Energien und KWK. Typologische Einordnung und rechtliche Rahmenbedingungen marktfähiger Energieerzeugungsanlagen, 2019. In: EnergieRecht 1 2019, S.18-25. 2019.

Weitere 10 Jahre EEG-Vergütung durch das Ausschreibungsmodell

von Robert Ißler und Marinus Schnitzlbaumer

Warum sollte man auf diese Technik/Entwicklung umsteigen?

Betreiber von Biogasanlagen können eine 10-jährige Förderung im Anschluss an ihre 20-jährige EEG-Vergütung erhalten. Das sogenannte Ausschreibungsmodell kann abhängig der Rahmenbedingungen eine Möglichkeit darstellen, die Anlagen weiterhin wirtschaftlich zu betreiben.

Stand der Entwicklung 

Anstelle von festen Vergütungssätzen wird die Höhe der 10-jährigen Anschlussförderung über Ausschreibungen bestimmt. Dabei wird für ein eigenes Gebot in Form von Menge in kW und Preis in ct/kWh der entsprechende Vergütungssatz bezahlt, sofern ein Zuschlag erhalten wurde.

Jährlich werden für Strom aus Biomasse 600 MW Leistung für Neuanlagen und Bestandsanlagen ausgeschrieben. Die Teilnahme von bestehenden Biogasanlagen wird jährlich zunehmen, da bei vielen demnächst die 20-jährige Förderung auslaufen wird. Durch die Neuregelungen im EEG 2021 ist zukünftig keine hohe Mengenkonkurrenz zu erwarten, was nach dem bisherigen Ausschreibungsdesign mit jährlich 200 MW noch als problematisch wahrgenommen wurde (3). Die Unsicherheit in der Gebotsabgabe nimmt allerdings perspektivisch zu. Außerdem sind strengere Vorgaben bezüglich des eingebrachten Maisanteils (sog. Maisdeckel) einzuhalten, was mit einem Umstieg auf alternative Substrate und damit mit höheren Kosten verbunden sein kann. Die eigene Kostenstruktur sollte also gut bekannt sein, um erfolgreich an der Ausschreibung teilnehmen zu können.

Erfahrungen der ersten sechs Biomasseausschreibungen zeigen, dass in den Jahren 2017 bis 2020 vergleichsweise wenig Betreiber von Bestandsanlagen auf das Ausschreibungsmodell umgestiegen sind. Zudem waren alle Ausschreibungen unterzeichnet, es wurden im Durchschnitt nur 35 % der Ausschreibungsmenge bedient. In Abbildung 1 sind die Ergebnisse der bisherigen Ausschreibungsrunden dargestellt:

Abbildung 1: Biomasseausschreibungen 2017 bis 2020 (eigene Darstellung nach (1))

Seit 2019 finden im Jahr jeweils zwei Ausschreibungstermine statt, wobei die Leistung, die im Vorjahr nicht bezuschlagt wurde, auf die gesamte Ausschreibungsmenge des Folgejahres aufgeschlagen wird, was die Unterschiede in den jeweilig ausgeschriebenen Mengen erklärt. Nach EEG 2021 werden nach der selben Systematik die Mengen ohne Zuschlag wieder neu ausgeschrieben, allerdings mit einer drei-jährigen Verzögerung.

In den Jahren 2017 bis 2020 lag der Zuschlagswert durchschnittlich etwa 3 ct unterhalb des jeweilig zulässigen Höchstwertes in einem Bereich von 12,3…15,7 ct. Die Obergrenze für Bestandsanlagen liegt nach EEG 2021 bei 18,40 ct/kWh mit einer jährlichen Degression von 1 % ab Januar 2022 (vgl. §39g Abs. 5, Nr. 3 EEG 2021).

Rechtliche Situation

Seit 2019 finden im Jahr jeweils zwei Ausschreibungsrunden statt, deren Leistungsmengen sich aus der Hälfte der jährlich festgelegten Ausschreibungsmenge ergibt. Die jährlich ausgeschriebene Menge liegt bei 600 MW (§28b Abs. 1 EEG 2021). Bei einer Unterzeichnung, also wenn die abgegebenen Gebote geringer sind als 600 MW, greift die sogenannte endogene Mengensteuerung nach §39d Abs. 3 EEG 2021. In diesem Fall werden die teuersten 20 % aus dem Gebotsverfahren ausgeschlossen, was hinsichtlich der Gebotshöhe für die Teilnehmer problematisch sein kann (vgl. Wirtschaftlichkeit). Zusätzlich wurden im EEG 2021 die sogenannten Südquoten eingeführt. Danach werden bei den Ausschreibungen für Biomasse die Hälfte der Zuschläge gesichert an Anlagenbetreiber aus der Südregion vergeben (§39d EEG 2021). Welche Landkreise darunter fallen, kann in Anlage 5 (zu §3 Nr.43c) EEG 2021 nachgelesen werden.

Eine Teilnahme an der Ausschreibung ist frühestens acht Jahre vor dem Auslaufen der 20-jährigen EEG-Vergütung möglich. Nach dem Erhalt eines Zuschlags muss der Betreiber die Anlage innerhalb von drei Jahren in den Betrieb gemäß den Ausschreibungsregularien wechseln (§39g Abs. 1,2 EEG 2021). Das bedeutet, dass die Anlage zukünftig rechtlich als Neuanlage gilt und nach den regulatorischen Anforderungen des EEG 2021 betrieben werden muss.
Zu diesen zählen zum einen die Bestimmungen nach §39i Abs. 1 EEG 2021, nach denen der Einsatz von Mais als Substrat auf 40 Masseprozent begrenzt ist.  Technisch muss die Anlage außerdem dazu fähig sein, bedarfsgerecht Strom zu erzeugen. In der Praxis hat das zur Folge, dass bei Dauerbetrieb nur 45 Prozent der bezuschlagten Gebotsmenge im Jahr förderfähig sind (§39i Abs. 2 Nr.1 EEG 2021). Das bedeutet, dass nur 3.942 Volllaststunden der gesamt installierten Leistung im Jahr vergütet werden. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass die Gärreste mindestens 150 Tage in einem gasdichten Behälter gelagert werden können (§9, Abs. 5 Nr.1 EEG 2021). Auch gilt ein Verbot der Eigenstromnutzung, sofern der Strom nicht für den direkten Anlagenbetrieb verwendet wird (2).

Exkurs: Flexibilitätsprämie und Flexibilitätszuschlag

Anlagen, die ein oder mehrere zusätzliche BHKWs installiert, aber noch nicht an der Ausschreibung teilgenommen haben, können über die Flexibilitätsprämie (Flexprämie) gefördert werden. Pro überbautem kWel wird nach §50b EEG 2021 ab einem Zubau von mindestens 20 % bis zu einer doppelten Überbauung (entspricht einem 100 prozentigem Leistungszubau) jährlich eine Prämie in Höhe von 130 € pro kW zusätzlich installierter Leistung gewährt. Weiter werden 65 € pro Kilowatt für jedes kW ausbezahlt, das zusätzlich zur doppelten Überbauung installiert wurde (Anlage 3 (zu §50b) EEG 2021). Damit kann bereits ein Großteil der Investitionskosten für das zusätzliche BHKW refinanziert werden. Die Voraussetzung ist eine Anmeldung beim zuständigen Netzbetreiber, eine Überprüfung des flexiblen Anlagenbetriebes seitens eines Umweltgutachters sowie eine Meldung an das Anlagenregister der BNetzA (5). Je nachdem welche der folgenden zwei Bedingungen eher eintritt, endet die Zahlung der Flexprämie nach 10 Jahren oder zum Ende der 20jährigen EEG-Vergütung des EEG-Standortes, für den die Flexibilisierung erfolgte.

Anlagen, die nach dem Ausschreibungsmodell vergütet werden, erhalten für den flexiblen Betrieb den sogenannten Flexibilitätszuschlag (Flex-Zuschlag) in Höhe von 65 €/kW pro installierter Leistung im Jahr (§50a Abs. 1 EEG 2021). Das entspricht in etwa 1,65 Cent pro eingespeister Kilowattstunde bei doppelter Überbauung (5). Der Flex-Zuschlag wird über die gesamten 10 Jahre Folgeförderung an die Betreiber ausbezahlt. Der Anteil an Leistung, der bereits vollständig über die Flexibilitätsprämie gefördert wurde, ist dabei auf 50€/kW reduziert (§50a Abs. 1 S.2 EEG 2021).

In beiden Fällen wurden mit dem EEG 2021 zusätzliche Qualitätsanforderungen an die flexiblen BHKWs eingeführt. Nach §50a Abs. 3 EEG 2021 müssen die Anlagen an mindestens 1.000 Stunden im Jahr mindestens 85 % ihrer installierten Leistung abrufen können, um für die Flexibilitätsprämie zugelassen zu werden. Analog wird in §50b Abs. 3 EEG 2021 dieselbe Anforderung auch für den Flexibilitätszuschlag gestellt (6).

Wirtschaftlichkeit

In jedem Fall lohnt es sich für Anlagenbetreiber sich frühzeitig mit dem Thema der Ausschreibung zu befassen und Überlegungen anzustellen, unter welchen Rahmenbedingungen ein zukünftiger Betrieb wirtschaftlich tragbar wäre. Die neuen Rahmenbedingungen des EEG 2021 sind für die Gebotshöhe von besonderem Wert. Derzeit ist noch nicht abzusehen, welchen Einfluss die endogene Mengensteuerung und die Einführung der Südquoten auf eine erfolgreiche Teilnahme haben. In jedem Fall entstehen aber größere Unsicherheiten, ob man einen Zuschlag erhält, so dass die eigenen Preisstrukturen noch wichtiger werden. Dabei ist zu beachten, welchen Einfluss die Anforderungen bezüglich des Substrateinsatzes und der Flexibilisierung, insbesondere bei Wegfall des Flexibilitätszuschlags, haben. Dem gegenüber stehen die neuen maximalen Gebotswerte durch das EEG 2021, die im Vergleich zum EEG 2017 um etwa 2 ct/kWh höher liegen.

Die nachfolgende einfache Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) soll zwei Szenarien für eine typische 500 kW Biogasanlage mit 500 kW Flex-BHKW untersuchen. Im Szenario B erfolgt der Zuschlag in der Biomasseausschreibung fünf Jahre später als im Szenario A was eine geringere Stromvergütung zur Folge hat. Beim Szenario B wird zudem die Auswirkung von 10 % höheren Biogasgestehungskosten aufgezeigt. In beiden Fällen wird ein um 25 % reduzierter Zuschlagspreis im Vergleich zum maximal zulässigen Höchstpreis angenommen, um auf die endogene Mengensteuerung zu reagieren. Ob dieser Sicherheitsaufschlag für eine erfolgreiche Teilnahme an der Ausschreibung ausreichend ist, kann an dieser Stelle nicht bewertet werden.

Abbildung 3: Überschlagsrechnung Wirtschaftlichkeit

Es zeigt sich deutlich, dass bereits geringe Änderungen in den Rohbiogaskosten und den Gebotspreisen die Wirtschaftlichkeit der Anlage stark herabsetzen. Eine genaue Kenntnis über die Kostenstrukturen der eigenen Anlage sind also von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Teilnahme an der Biomasseausschreibung.

Ökologie

Der Erhalt von möglichst vielen Bestandsanlagen ist dann ökologisch wünschenswert, wenn die Biogasanlage zum Klimaschutz und am besten auch zur Artenvielfalt beiträgt. Ein hoher Beitrag zum Klimaschutz ist dann gegeben, wenn Reststoffe wie Gülle oder ökologisch wertvolle Substrate (z.B. mehrjährige Blühwiesen) als Substrate eingesetzt werden. Dabei ist hervorzuheben, dass dies stets unter einem Nachhaltigkeitsgedanken geschehen sollte, um tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Ökologie zu besitzen (2). Allerdings gibt es hierzu meist nur wenig Spielraum, da durch das Ausschreibungsmodell ein deutlicher Preisdruck vorhanden ist, möglichst günstig Rohbiogas und daraus wiederum Strom zu erzeugen.

Betriebliche Umsetzung

Die Gebote für die Folgeausschreibungen können bis zu dem Tag der Ausschreibung abgegeben werden. Um zu verhindern, dass man aus formellen Gründen von der Gebotsrunde ausgeschlossen wird, sind folgende Aspekte zur richtigen Abgabe der Gebote zu beachten:

  • Alle Formulare sind am Computer auszufüllen – handschriftlich ausgefüllte werden nicht angenommen.
  • Die Gebotsmenge ist in kW ohne Nachkommastelle anzugeben, der Gebotswert in Cent mit zwei Nachkommastellen.
  • Neben den typischen Kontaktdaten sind außerdem Informationen zum zuständigen Übertragungsnetzbetreiber sowie zu Standort, Bundesland, Landkreis, Gemeinde, Gemarkung und Flurstück der Anlage zu übermitteln.

Weiter ist im Vorfeld eine finanzielle Sicherheit zu leisten, die mögliche Strafzahlungen bei Nichtrealisierungen decken sollen. Diese beträgt 60 € pro installierter Leistung in kW (1).   

Zum Weiterlesen

1. Bundesnetzagentur Ausschreibungen für Biomasse-Anlagen [online]. [Zugriff am: 10. Juni 2020]. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Ausschreibungen/Biomasse/Ausschr_Biomasse_node.html

2. DIHK, FvB (Hrsg.). Leitfaden Ausschreibungen für Biomasseanlagen [online], 2017. Verfügbar unter: https://www.dihk.de/resource/blob/2990/8739dff4a5343b2b223789c9ccc4817a/leitfaden-ausschreibung-biomasseanlagen-data.pdf

3. IZES, DBFZ, UFZ. Analyse der gesamtökonomischen Effekte von Biogasanlagen. Wirkungsabschätzung des EEG (MakroBiogas) [online], 2018. Verfügbar unter: http://www.izes.de/sites/default/files/publikationen/ST_16_075.pdf.

4. DBFZ, Fraunhofer IEE, vBVH. Leitfaden Flexibilisierung der Strombereitstellung von Biogasanlagen [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.dbfz.de/fileadmin//user_upload/Referenzen/Studien/20191108_LeitfadenFlex_Abschlussbericht.pdf

5. FNR. Leitfaden Flexibilisierung von Biogasanlagen [online]. 2018. Verfügbar unter: https://fnr.de/fileadmin/allgemein/pdf/broschueren/Broschuere_Flexibilisierung_Biogas_Web.pdf

6. Hautstadtbüro Bioenergie. Wichtigste Neuregelungen zur Biomasse im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) [online]. 2020. Verfügbar unter: https://www.hauptstadtbuero-bioenergie.de/aktuelles/positionspapiere/wichtigste-neuregelungen-zur-biomasse-im-erneuerbare-energien-gesetz-eeg-2021

7. Von Bredow, H.; Widmann, V. Rechtsgutachterliche Stellungnahme. Zur Begrenzung des Anspruchs auf Flexibilitätszuschlag in §50a Absatz 1 Satz 2 EEG 2021. [online]. 2021. Verfügbar unter: https://kwk-flexperten.net/content/form/1614679558_Rechtsgutachterliche-Stellungnahme-zu-§-50a-EEG-2021.pdf