Ergänzung erneuerbarer Wärmeerzeuger

von Jan Kelch

Warum sollte man auf die Technik/Entwicklung umsteigen?

Falls die Fermenterbeheizung wegfallen würde, da BHKWs nach Ende der EEG-Förderung unwirtschaftlich geworden sind, könnten andere erneuerbare Wärmeerzeuger eingesetzt werden, um die Biogasproduktion aufrechtzuerhalten. Dieses Szenario ist vor Allem dann denkbar, wenn Biogas auf anderem Wege wirtschaftlich vermarktet werden kann (z.B. Gasnetzeinspeisung). Falls weitere BHKWs existieren, deren EEG-Förderung später ausläuft und deren Abwärme bereits anderweitig gebraucht wird, ergeben sich weitere Vorteile.

Wärmekonzepte wie eine Holzkesselheizung, ein Holzkessel plus Solarthermieanlage sowie die Nutzung von Windkraft in Verbindung mit Wärmepumpen sind geeignet, BHKW-Wärme bei akzeptablen Wärmepreisen zu ersetzen. Soll eine Pyrolyseanlage als neues Geschäftsmodell und als Wärmequelle eingesetzt werden, kann der Verkauf von qualitativ hochwertiger, hochpreisiger Pflanzenkohle zu vergleichbaren Wärmepreisen wie in den obigen Konzepten führen.

Stand der Entwicklung

Die Technologien Holzkessel, Solarthermieanlagen und Wärmepumpen sind weit verbreitet und gehören damit grundsätzlich zum Stand der Technik. In Wärmenetze einspeisende Großwärmepumpen sind in Deutschland noch eher selten. Im Zuge der erforderlichen Dekarbonisierung von Wärmenetzen werden Großwärmepumpen jedoch wahrscheinlich vermehrt zum Einsatz kommen, weil mit dieser Technologie verschiedenste Niedertemperaturwärmequellen erschlossen werden können. Pyrolyseanlagen werden in Deutschland bereits in geringer Anzahl kommerziell eingesetzt. Eine Beschreibung des Entwicklungsstands der Pyrolysetechnik sowie der Verwendungsmöglichkeiten für Pflanzenkohle ist in der Handlungsempfehlung „Energie- , Pflanzenkohlegewinnung und CO2 Sequestrierung mittels Pyrolyse“ zu finden.

Beschreibung der Handlungsempfehlung

In dem hier betrachteten Fallbeispiel aus dem Bioenergiedorf Altenmellrich wird eine Aufbereitung von Biogasüberschüssen mit nachgeschalteter Gasnetzeinspeisung im Verbund mit einer Nachbarbiogasanlage als Geschäftsmodell verfolgt. Für die Beheizung des Fermenters sind ergänzende Wärmekonzepte notwendig. Die vorgestellten Szenarien basieren auf den Daten und der Situation dieses Dorfes, können aber auch als Anregung für andere Bioenergiedörfer dienen.

Die Ausgangssituation ist in Abb. 1 dargestellt: Das Bioenergiedorf verfügt über Satelliten-BHKWs, welche in das Nahwärmenetz des nahegelegenen Dorfes (Hauptwärmenetz) einspeisen.  Für den Betrachtungszeitraum ab 2030 werden die BHKWs im Dorf über die 10-jährige Anschlussförderung durch das EEG weiterhin gefördert, während für die BHKWs an der Biogasanlage die EEG-Förderung bereits endet. Da in dem Szenario die Biogasproduktion aufrechterhalten werden soll, sind neue Wärmeerzeuger für den Fermenter erforderlich. Aufgrund der stillgelegten BHKWs am Biogasanlagenstandort und der Annahme eines rein wärmegeführten BHKW-Betriebs der Satelliten-BHKWs treten in höherem Maße Biogasüberschüsse auf, wenn die Biogasproduktion auf dem gleichen Niveau wie im Ist-Stand bleibt. Diese auftretenden Biogasüberschüsse können zusammen mit Biogasüberschüssen einer benachbarten Biogasanlage zu Biomethan aufbereitet und ins nahegelegene Gasnetz eingespeist werden.

Im nachfolgenden Beispiel werden verschiedene Wärmeversorgungsszenarien zur Beheizung des Fermenters und von ein paar wenigen Gebäuden am Biogasanlagenstandort (kleines Wärmenetz) betrachtet. Der hierfür gewählte Betrachtungszeitraum ist 2030 bis einschließlich 2039. Die Biogasanlage bleibt dabei bestehen und die BHKWs an der Heizzentrale im Dorf werden auch weiterhin mit Biogas versorgt.




Abb. 1: Weiterbetrieb des Fermenters mithilfe ergänzender Wärmequelle sowie Biogaseinspeisung ins Gasnetz

Es werden fünf mögliche Wärmeversorgungsszenarien vorgestellt, die die Fermenterbeheizung sowie den Wärmebedarf für das kleine anlagennahe Wärmenetz bereitstellen könnten. Während das Szenario 1 die alleinige Wärmebereitstellung durch einen Holzkessel vorsieht (Referenzszenario), kommt im Szenario 2 zum Holzkessel noch eine solarthermische Freiflächenanlage hinzu, um den Holzeinsatz zu reduzieren. Innerhalb der Szenarien 3 und 4 kommen jeweils Pyrolyseanlagen unterschiedlicher Größen für die Wärmebereitstellung zum Einsatz, die darüber hinaus noch Pflanzenkohle produzieren.  Die kleine Pyrolyseanlage in Szenario 3 wird durch einen Holzkessel unterstützt, während die große Pyrolyseanlage in Szenario 4 die Wärmeversorgung komplett übernimmt. Das Szenario 5 setzt auf die Einbindung einer nahegelegenen Windkraftanlage und Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen („Wind-Power-to-Heat). Die nachfolgend angegebenen Eckdaten wie z.B. Wärmebedarf und Holzeinsatz wurden aus den Praxisdaten abgeleitet und berechnet.  Als Brennstoff für die Holzkessel und als Substrat für die Pyrolyseanlagen wird stets der ausschließliche Einsatz von Landschaftspflegeholz angenommen.

Holzkessel (Szenario 1): Der jährliche Holzeinsatz bei der Wärmeversorgung mit einem Holzkessel von etwa 500 kWth beträgt in diesem Szenario etwa 4.100 SRM (Schüttraummeter).

Holzkessel + Solarthermie (Szenario 2): Die Wärmebereitstellung des Holzkessels wird hier durch eine solarthermische Freiflächenanlage mit einer Bruttokollektorfläche von etwa 2.100 m² ergänzt. Die monatliche Wärmebereitstellung mittels Holzwärme und Solarthermie ist in der folgenden Abbildung dargestellt.




Abb. 2: Monatliche Wärmebereitstellung am Standort der Biogasanlage aufgeteilt nach Solarthermie und Holzkessel

In den Sommermonaten kann die Wärmeversorgung fast ausschließlich durch Solarthermie erfolgen, wodurch sich der zu dieser Zeit oftmals ineffiziente Teillastbetrieb des Kessels reduziert. Da der Fermenter auf einem niedrigen Temperaturniveau von etwa 39°C betrieben wird und zudem Hauptwärmeabnehmer ist, kann die Solarthermieanlage sehr effizient betrieben werden und erreicht einen solaren Deckungsanteil von rund 32%. Gegenüber dem Referenzszenario, dass allein auf Holzwärme basiert, reduziert sich der Holzeinsatz dementsprechend um 32% auf rund 2.800 SRM.

Pyrolyse (Szenarien 3 und 4): Die Pyrolyseanlagen in den Szenarien 3 (kleine Pyrolyse) und Szenario 4 (große Pyrolyse) werden jeweils mit 7.500 Volllaststunden betrieben. Die kleinere Anlage verfügt über eine Abwärmeleistung von 150 kW und die große von 500 kW. Die Leistung der kleinen Anlage entspricht in etwa der sommerlichen Wärmelast, so dass die Abwärme ganzjährig, vollständig genutzt werden kann. Den restlichen Wärmebedarf deckt in diesem Fall (Szenario 3) ein Holzkessel. Die Leistung der großen Anlage entspricht der maximalen Winterlast, so dass der Gesamtwärmebedarf durch die Pyrolysewärme gedeckt ist. Allerdings kommt es aufgrund der geringeren Sommerlast im Szenario 4 zu einer ungenutzten Abwärmemenge von 1,2 GWh/a.  Als Pyrolysesubstrat wird bei beiden Szenarien Landschaftspflegeholz eingesetzt und die produzierte Pflanzenkohle in Höhe von 190 t/a bei Szenario 3 und 560 t/a bei Szenario 4 verkauft. Der Holzeinsatz in Szenario 3 für den Kessel (2.300 SRM) und die Pyrolyseanlage (5.300 SRM) beträgt in Summe 7.600 SRM. In Szenario 4 ist der Holzeinsatz für die Pyrolyseanlage mit 16.000 SRM noch deutlich höher.

Power-to-heat mit Wärmepumpen (Szenario 5): Der technische Ansatz dieses Szenarios besteht in der Einbindung einer nahegelegenen Windkraftanlage mit 800 kW Nennleistung in das Wärmeversorgungskonzept, bei der die EEG-Förderung etwa zeitgleich mit den BHKWs der Biogasanlage endet. Zwei Wärmepumpen, die bei entsprechender Verfügbarkeit mit Windstrom und andernfalls mit Netzstrom betrieben werden, decken den Wärmebedarf und sind miteinander als Kaskade verschaltet. Die Niedertemperaturwärmepumpe (WP1) nutzt als Wärmequelle Außenluft (Außenlufttemperatur: Ta), um den Fermenter zu beheizen. Die Fermentertemperatur von etwa 39°C kann in der Systemsimulation um bis zu 3 °C angehoben werden, um überschüssigen Windstrom in Form von Wärme zu speichern. Es wird angenommen, dass der Fermentationsprozess davon nicht gestört wird. Der Fermenter dient neben seiner Funktion als Pufferspeicher auch als Wärmequelle für die Hochtemperaturwärmepumpe (WP2), welche das kleine Wärmenetz mit einer Vorlauftemperatur von 70-80°C versorgt. Durch die kaskadierte Anordnung der Wärmepumpen wird für beide Wärmeabnehmer das notwendige Temperaturniveau bedarfsgerecht bereitgestellt und so eine höhere Systemeffizienz erreicht als bei alleiniger Bereitstellung der Gesamtwärmemenge auf dem maximal erforderlichen Temperaturniveau des Wärmenetzvorlaufs.




Abb. 3: Wärmeversorgung durch Wärmepumpen-Kaskade unter Einbindung einer Post-EEG-Windkraftanlage

Die Jahressimulation mit der Software EnergyPro (Hersteller EMD) kommt zu dem Ergebnis, dass die Wärmepumpen-Kaskade mit einer Systemjahresarbeitszahl von 2,9 und zu etwa 48% mit Windstrom betrieben werden kann. Für die Wärmebereitstellung können jedoch nur etwa 37% des erzeugten Windstroms genutzt werden, während die restlichen 63% nach wie vor ins Netz eingespeist werden. Die folgende Abbildung zeigt Monatswerte für die Bereitstellung des Wärmepumpenstroms durch Windkraft oder über das Stromnetz sowie die Windstromeinspeisung ins Stromnetz. Es ist zu erkennen, dass die monatliche Windstrombereitstellung und der monatliche Strombedarf für die Wärmebereitstellung in den Wintermonaten jeweils deutlich höher sind als in den Sommermonaten. Dies bekräftigt, dass sich Windstrom aufgrund des saisonalen Verlaufs gut zur Bereitstellung von Wärme eignet.


Abb. 4: Monatliche Bilanz der Windstromnutzung und des Strombezug der Wärmepumpen

Die wesentlichen Vorteile dieses Szenarios sind, dass ganz auf den Einsatz von Holz verzichtet werden kann, Zusatzeinahmen für den Weiterbetrieb der Post-EEG-Windkraftanlage bereitgestellt werden und Strom effizient für die Wärmebereitstellung genutzt und etwa zur Hälfte auch direkt vor Ort erzeugt wird. Unsicher ist, inwieweit sich der Wegfall der Windkraftanlage nach maximal 10 weiteren Betriebsjahren auf die Wirtschaftlichkeit der Wärmeversorgung auswirkt. Die Wärmepumpen würden danach voraussichtlich vollständig mit Netzstrom weiterbetrieben werden. Die Übertragbarkeit dieses Wärmeversorgungsszenarios auf andere Bioenergiedörfer ist u.a. daran gekoppelt, dass nahestehende Post-EEG-Windkraftanlagen vorhanden sind (über eine Filterfunktion lassen sich Bioenergiedörfer mit nahegelegenen Windkraftanlagen auf der Website www.energiewendedörfer.de anzeigen). Grundsätzlich bekräftigen die Ergebnisse, dass es sinnvoll ist, Post-EEG-Windkraftanlagen als potenzielle Stromquelle für die Wärmebereitstellung in Wärmenetzen und Großwärmespeichern zu berücksichtigen.

Rechtliche Situation

Bei Feuerungsanlagen ist es erforderlich, gesetzliche Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Diese Grenzwerte werden für Holzkessel mittlerer Größe durch die Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) vorgegeben. Der Betrieb von Luftwärmepumpen geht dagegen mit Betriebsgeräuschen aufgrund des erforderlichen Gebläses einher. Rechtsgrundlage für die zulässigen Schallimmissionen ist die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung (32. BImSchV). Eine kurze Zusammenfassung zum Thema gibt der Leitfaden „Schall“ des Bundesverbandes Wärmepumpe [2]. Bei der Direktlieferung von lokalem Windstrom wird der Anlagenbetreiber der Windkraftanlage wie ein Energieversorgungsunternehmen behandelt, sofern keine Eigenversorgung vorliegt. Dies kann für eine einzelne Windkraftanlage oder einen kleinen Windpark eine administrative Hürde darstellen, weil der Aufwand nicht unerheblich ist. Die EEG-Umlage fällt nach der aktuellen Regelung in voller Höhe an. Im Falle einer Eigenversorgung würde dagegen die EEG-Umlage derzeit nur zu 40% anfallen. Sofern die Windkraftanlage nicht im Besitz des Stromabnehmers ist, könnte noch geprüft werden, inwieweit der Status Eigenversorgung auf anderem Wege zu erreichen wäre, z.B. über ein Pachtmodell [3]. Die rechtliche Situation von Pyrolyseanlagen ist in der Handlungsempfehlung „Energie- , Pflanzenkohlegewinnung und CO2 Sequestrierung mittels Pyrolyse“ näher beschrieben.

Wirtschaftlichkeit

Die für das Fallbeispiel berechneten Wärmegestehungskosten zur vorwiegenden Beheizung des Fermenters betragen inkl. Förderung durch KfW und BAFA (Stand 2021) und unter Berücksichtigung der kapital-, betriebs- und bedarfsgebundenen Kosten für die Szenarien Holzkessel, Holzkessel plus Solarthermie und Power-to-Heat mit Wärmepumpen jeweils zwischen 5,5 und 6,8 Ctnetto/kWh. Bei den Pyrolyse-Szenarien (kleine bzw. große Pyrolyse) hängen die Wärmegestehungskosten stark vom verfügbaren Preis für Landschaftspflegeholz und von dem erzielbaren Erlös für Pflanzenkohle ab. Ähnlich niedrige Wärmegestehungskosten wie in den anderen Szenarien können voraussichtlich nur mit sehr günstigen Holzpreisen von unter 1 Ctnetto/kWh und Erlösen für Pflanzenkohle von mehr als 700 €netto/t erreicht werden. In der Abbildung 5 sind die jährlichen Wärmekosten, unterteilt in kapitalgebundene, betriebsgebundene und bedarfsgebundene Kosten sowie die Wärmegestehungskosten je kWh dargestellt. Für die Berechnungen wurden ein Preis für Landschaftspflegeholz von 3 Ct/kWh und eine Biokohleerlös von 700 €/t angenommen.


Abb. 5: Jährliche Wärmekosten sowie Wärmegestehungskosten je kWh der Wärmeversorgungsszenarien im Vergleich

Ob es sich lohnt in ergänzende Wärmequellen zu investieren, um die hier betrachtete Biogasanlage weiter zu betreiben und überschüssiges Biogas durch Methanisierung und anschließende Einspeisung ins Gasnetz zu vermarkten, lässt sich nur durch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Gesamtsystems aller einspeisenden Biogasanlagen bewerten. Faktoren wie z.B. die Auslastung der Methanisierungsanlage sowie erforderliche Investitionen in Rohbiogasleitungen sind für diese Betrachtung von Bedeutung. Untersuchungen innerhalb des Projektes haben gezeigt, dass bei einer vollständigen Aufbereitung der Biogasüberschüsse mit anschließender Einspeisung in das nahgelegene Erdgasnetz der zur Kostendeckung erforderliche Methan-Nettoverkaufspreis (Gewinnschwelle) bei etwa 6 Ct/kWhMethan liegt. Bei dieser Berechnung sind allerdings noch keine Kosten für ergänzende Wärmeerzeuger inbegriffen. Die errechnete Biogasüberschussrate beträgt für die betrachtete Biogasanlage 200 Nm³/h (kleine Biogasanlage) und für die Nachbarbiogasanlage 700 Nm³/h (große Biogasanlage) bei jeweils angenommen Volllaststunden von 8.500 h/a. Ausgehend von dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung werden die Mehrkosten berechnet, welche für die kleine Biogasanlage durch die Fermenterbeheizung mit Holzkessel und Solarthermiefeld anfallen. Die für dieses Versorgungskonzept berechneten Wärmekosten liegen bei etwa 5,6 Ct/kWhth und führen zu einer Kostenerhöhung des Rohbiogases von etwa 0,6 Ct/kWhRohbiogas. Somit steigen die für das Jahr 2030 angesetzten Rohbiogaskosten von 5,0 Ct/kWhRohbiogas auf 5,6 Ct/kWhRohbiogas an. Die Gewinnschwelle für den Methanverkauf würde sich bei der kleinen Biogasanlage durch die ergänzende Wärmeerzeugung ebenfalls um etwa 0,6 Ct/kWhMethan auf 6,6 Ct/kWhMethan erhöhen, was einer Erhöhung von 10 Prozent entspricht. Angesichts aktueller CNG-Tankstellenpreise von etwa 9 Ct/kWh [4] ist diese Anhebung der Gewinnschwelle um etwa 0,6 Ct/kWhMethan ein deutlicher Nachteil. Würde die kleine Biogasanlage sich nicht beteiligen, hätte das jedoch auch Nachteile für die andere einspeisende Biogasanlage, da sich die spez. Aufbereitungskosten mit abnehmender Biogasüberschussrate erhöhen. Es wäre daher auch denkbar, diese Mehrkosten auf die einspeisenden Biogasanlagen so zu verteilen, dass die gemeinsame Einspeisung für alle wirtschaftlich bleibt.

Betriebliche Umsetzung

Technisch gesehen sind die Wärmeversorgungsszenarien grundsätzlich umsetzbar. Die Szenarien sind auch auf andere Anwendungsfälle übertragbar, wenn sie an die notwendigen Rahmenbedingungen wie z.B. Temperaturniveaus angepasst werden.  In dem hier betrachteten Fall ist der Hauptwärmeabnehmer ein Fermenter mit einer Betriebstemperatur von ca. 39°C. Bei der Übertragung der Wärmeversorgungskonzepte auf andere Anwendungsfälle (z.B. Nahwärmeversorgung für Wohngebäude im Bestand mit typischerweise 70-80°C Vorlauftemperatur) wäre zu berücksichtigen, dass die Effizienz bei Wärmepumpen und Solarthermieanlagen temperaturabhängig ist und bei beiden Technologien mit zunehmendem Temperaturniveau der Wärmebereitstellung sinkt.

Ökologie

Aufgrund der eingesetzten erneuerbaren Wärmequellen wie der Verbrennung von Landschaftspflegeholz, Solarthermie oder Wind-power-to-Heat-Lösung mit einer alten Windkraftanlage sind die vorgestellten Wärmeversorgungsszenarien für sich alleinstehend ökologisch positiv zu bewerten. Die auftretenden Treibhausgas-Emissionen dieser Wärmeerzeugungsvarianten können grundsätzlich als sehr gering eingestuft werden. Eine vereinfachte Berechnung mit Emissionsfaktoren des Umweltbundesamtes [5] ergibt, dass die spez. THG-Emissionen je Kilowattstunde bereitgestellter Wärme für Szenario 1 „Holzkessel“ und für Szenario 2 „Holzkessel und Solarthermie“ bei etwa 23 bis 24 g/kWh liegen. Bei den Pyrolyse-Szenarien 3 und 4 wird davon ausgegangen, dass Biokohle als Bodenverbesserer eingesetzt wird, über ungefähr 100 Jahre stabil im Boden eingelagert bleibt und so als CO2-Senke fungiert. In Anlehnung an die Ergebnisse einer THG-Bilanzierung über den gesamten Lebenszyklus für eine Pyrolyseanlage mit holziger Biomasse als Substrat wird in Summe von einer durchschnittlichen CO2-Entzugsmenge bzw. -Einsparung von -335 kg je Tonne Holzeinsatz ausgegangen [6]. Die Wirkung als CO2-Senke ist nur gegeben, sofern die eingesetzte Holzmenge auch wieder nachwachsen kann, was bei Landschaftspflegeholz jedoch wahrscheinlich ist. Auf Grundlage dieser Annahme ergeben sich für Szenario 3 zusammen mit den CO2-Emissionen durch den Holzeinsatz im Kessel eine CO2-Einsparung  von -216 t/a (umgerechnet sind das  -84 g Einsparung je kWh genutzter Wärme) und für Szenario 4 mit der großen Pyrolyseanlage -754 t/a CO2-Einsparung  (umgerechnet sind das -292 g Einsparung je kWh genutzter Wärme). Im Falle des Szenario 5 „Wind-Power-to-Heat“ werden die betriebsgebundenen THG-Emissionen vereinfacht anhand des Stromverbrauchs der Wärmepumpen für das Jahr 2030 abgeschätzt. Der von der Alt-Windkraftanlage bezogene Strom wird als klimaneutral eingestuft und der Emissionsfaktor für den Strom-Mix 2030 unter Berücksichtigung des Ausbauziels der Bundesregierung, bis 2030 80% des Stroms mit erneuerbaren Energien bereitzustellen, und auf der Grundlage von Eckdaten aktueller Klimaschutzszenarien für 2030 [7] mit 61 g/kWh angenommen (Zum Vergleich: Wert für 2020 laut Umweltbundesamt bei 380 g/kWh). Die berechneten spez. Emissionen der Wärmebereitstellung für Szenario 5 betragen unter diesen Annahmen 11 g/kWh.

Da jedoch der Einsatz ergänzender Wärmeerzeuger den Weiterbetrieb der Biogasanlage ermöglichen soll, müsste für eine konsequente ökologische Bewertung dieser Handlungsempfehlung die gesamte Vorkette der Biogasanlage, der Betrieb mit den eingesetzten Betriebsmitteln und Substraten sowie die erzeugten Produkte Wärme, Strom und Biomethan in einer Ökobilanz (from crandle to grave) betrachtet werden. Eine Ökobilanz beinhaltet neben den Emissionen von Treibhausgasen (THG) auch den Ressourcenverbrauch sowie Auswirkungen auf die Human- und Ökotoxikologie. Die Reduktion von THG-Emissionen zur Eindämmung des Klimawandels spielt für den vorliegenden Vergleich jedoch eine zentrale Rolle, so dass hierauf Bezug genommen wird. Das Umweltbundesamt hat THG-Bilanzen für die Biogasproduktion erstellt [5] und aufgezeigt, das unter erneuerbaren Stromerzeugern Biogas nach Windenergie (Onshore) und PV die drittgrößten Brutto-THG-Einsparungen erreicht, jedoch die Netto-THG-Einsparungen deutlich geringer ausfallen, da Anbau von Energiepflanzen und Betrieb der Anlage THG-Emissionen verursachen.


Abb. 6: Bei der erneuerbaren Stromerzeugung vermiedene und verursachte THG-Emissionen in 2018

Beim Einsatz von Reststoffen und vermehrten Einsatz von Wirtschaftsdüngern kann allerdings die Nettobilanz verbessert werden. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass insbesondere die betriebsbedingten Methan-Emissionen der Biogasanlage auf ein technisch mögliches Minimum reduziert werden, denn Methan ist in den ersten 20 Jahren etwa 83 mal so klimaschädlich und auf längere Sicht noch etwa 27 mal so schädlich wie CO2 [8]. Als weiterführende Literatur zum Thema THG-Emissionen von Biogasanlagen sei an dieser Stelle eine Studie des Deutschen Biomasseforschungszentrums empfohlen. In einer Zusammenfassung der Studienergebnisse [9] werden typische THG-Emissionsquellen benannt und THG-Bilanzen von 10 Biogasanlagen miteinander verglichen. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass der Weiterbetrieb von Biogasanlagen ökologisch gesehen sinnvoll ist, wenn die Produkte Strom, Wärme oder Methan fossile Energieträger ersetzen und wenn durch den Einsatz von Reststoffen in höherem Maße THG-Emissionen vermieden werden.

Praxisbeispiel und Kontaktdaten

Bosbuell: Der Strom aus lokalen Solar- und Windkraftanlagen wird in der Gemeinde Bosbuell (Nordfriesland in Schleswig-Holstein) einerseits genutzt, um mithilfe von Wärmepumpen die Nahwärmeversorgung bereitzustellen und andererseits mit Elektrolyseuren vor Ort grünen Wasserstoff zu produzieren. Die Abwärme aus der Wasserstoffproduktion wird ebenfalls für das Wärmenetz genutzt. Wärmeabnehmer sind bisher ca. 25 Haushalte und ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Muttersauenhaltung. Die Firma GP JOULE ist Generalunternehmer des Projektes. Ebenfalls am Projekt beteiligt ist der Windpark Bosbüll [10].

Zum Weiterlesen

[1]: Bundesamt für Justiz. Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV) [online], Stand Juni 2020, https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_1_2010/BJNR003800010.html

[2]: Bundesverband Wärmepumpe e.V.. Leitfaden Schall [online], 2016, https://www.waermepumpe.de/uploads/tx_bcpageflip/BWP_LF_Schall_2019_DRUCK.pdf

[3]: Fachagentur Windenergie an Land. Weiterbetrieb von Windenergieanlagen – Was gilt es zu beachten? [online], Stand Juli 2021, https://www.fachagentur-windenergie.de

[4]: Zukunft Gas e.V. [online], https://gas.info/mobil-verkehr/erdgas-cng-mobil/erdgas-fahren-rechnet-sich

[5]: Umweltbundesamt. Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger – Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2018 [online], 2019, https://www.umweltbundesamt.de

[6]: Slow pyrolysis as a platform for negative emissions technology: An integration of machine learning models, life cycle assessment, and economic analysis, Energy Conversion and Management [online], 2020, https://www.sciencedirect.com

 [7]: Kopernikus-Projekt Ariadne. Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 [online], 2021, https://ariadneprojekt.de

[8]: DBFZ. Treibhausgas-Emissionen von Biogasanlagen mit landwirtschaftlichen Einsatzstoffen (Workshop „Klimaschutz bei der Herstellung und Anwendung organischer Dünger“) [online], 2020, https://cdn.website-editor.net

 [9]: Deutsche Umwelthilfe, Fernwärme aus dem Gaskraftwerk? – Das Methanproblem [online], 2021, https://www.duh.de

[10]: Bosbüll Energie GmbH, https://www.bosbuell-fernwaerme.de/