Festbrennstoffgewinnung durch Silagetrennung

von Roland Bauböck und Marianne Karpenstein-Machan

Warum sollte man auf diese Technik/Entwicklung umsteigen?

Wertschöpfung aus den Stoffen an der Anlage optimieren, Beitrag zur Kaskadennutzung, zweites Standbein neben der Energieproduktion durch Verkauf von „veredelten“ Produkten.

Stand der Entwicklung 

Durch die Separierung der Silage-Biomasse in feste und flüssige Phase kann eine Doppelnutzung von ein und demselben Ausgangssubstrat erreicht und somit die Nutzungseffizienz gesteigert werden. Diese Form der Silagenutzung geht auf Prof. Scheffer zurück und wurde seitdem kontinuierlich zum sog. IFBB-verfahren (Integrierte Festbrennstoff- und Biogasproduktion aus Biomasse) weiterentwickelt (1) . Einen Nutzungszweig stellt das von der Firma getproject in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Uni Kassel entwickelte Biomass to Energy Verfahren (BtE®). Hierbei wird halmgutartige Biomasse (z.B. aus der Landschaftspflege) abgepresst, der Presssaft wird in einem Festbett-Fermenter vergoren und das gewonnene Biogas in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) verstromt. Die feste Phase wird mit der Abwärme des BHKW getrocknet und pelletiert und kann als Festbrennstoff in Heizkesseln für die Wärmeversorgung von Haushalten eingesetzt werden. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass auch minderwertige Biomassen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht wirtschaftlich in Biogasanlagen eingesetzt werden könnte, einer energetischen Verwertung zugeführt werden können.

Der zweite Nutzungspfad basiert auch auf dem IFBB-Verfahren, verfolgt jedoch das Ziel, aus der festen Fraktion der Biomasse keine Festbrennstoffpellets herzustellen, sondern diese mit dem Pyrolyse-Verfahren in Aktivkohle umzuwandeln. Auch hierbei wird mit in Biogasanlagen schwerer verwertbaren Restbiomassen gearbeitet, um den Einsatz von anderweitig nutzbaren teuren nachwachsenden Rohstoffen (NawaRos) zu vermeiden. Aus der silierten Biomasse wird zunächst eine Silomaische hergestellt, diese wird anschließend mit einer Schneckenpresse abgepresst. Der Presssaft kann dann der Biogasgewinnung zugeführt werden. Nach dem IFBB-Verfahren kann der abgepresste Teil der Biomasse dann entweder mit der Abwärme eines BHKWs getrocknet und zu Brennstoffbriketts gepresst oder auch einer Pyrolyseanlage zugeführt werden. Gegen die Nutzung solcher Gärrestbriketts als Brennstoff sprechen allerdings die hohen Stickstoffoxid (NOx) und Schwefeldioxid (SO2)-Emissionen, die bei der Verbrennung von derartigen Brennstoffen auftreten und geltende Grenzwerte aus der BImSchV (Bundesemissions-Schutzverordnung) und der TA-Luft (Technische Anleitung Luft) überschreiten können. Die Nutzung solcher Brennstoffe in einer Pyrolyseanlage ist aus emissionsrechtlicher Sicht deutlich unproblematischer.

Rechtliche Situation

Pflanzenkohle ist seit 01/2020 in der EU als Bodenverbesserer im ökologischen  Landbau zugelassen, für die Aufnahme in den EU-Düngeproduktekatalog findet seit 2019 eine Prüfung seitens der EU-Kommission statt (2). Auf Bundesebene hat der Fachverband Pflanzenkohle (FVPK) 09/2019 einen Antrag zur Zulassung als Düngemittel an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingereicht. Für Pflanzenkohle existiert ein EU-einheitliches Zertifikat, das „European Biochar Certificate“. Mit diesem Zertifikat wird eine gleichbleibend hohe Qualität und die ausschließliche Verwendung von zugelassenen Biomassen bei der Pflanzenkohleproduktion gewährleistet.

Wirtschaftlichkeit

Pflanzenkohlen besitzten, je nach deren Ausgangsbiomasse und ihrer physikalisch/chemischen Beschaffenheit einen Marktwert, der sich an deren Einsatzmöglichkeiten und der Marktnachfrage orientiert. Die höchsten Preise lassen sich vermutlich mit „aktivierten“ Kohlen, also mit Aktivkohlen aus Biomasse erzielen. Hier orientiert sich der Marktpreis an den aus Steinkohle oder Kokosnussschalen erzeugter Aktivkohle. Diese Produkte werden international mit Handelswerten um die 1000 US-Dollar pro Tonne beziffert. Aktivkohle findet z.B. als Filtermaterial zur Wasser- und Luftbehandlung Anwendung. Aber auch für nicht-aktivierte Pflanzenkohlen existieren bereits etablierte Märkte, auf denen diese verkauft werden können. Allen voran sind in diesem Kontext der Einsatzbereich als Futterkohlen (Tierhaltung) und der Bodenanwendungen (Terra-Preta Erden) zu nennen.

Pflanzenkohle/Aktivkohle ist ein vielseitiges Produkt, das sich für die Anwendung in folgenden Bereichen etabliert hat oder Anwendung findet:

  • Natürlicher Bodenverbesserer (fördert den Nährstoff- & Wassergehalt sowie Humusaufbau)
  • Natürliche Futtermittelzugabe (in Form von Futterkohle; verbessert die Tiergesundheit)
  • Additiv im Biogasprozess (verbessert den Gasertrag)
  • Natürliches Stalleinstreu (verbessert das Stallklima & reduziert den Materialaufwand)
  • Natürlicher Hilfsstoff für die Kompostierung (bindet Nährstoffe & reduziert Klimagase)
  • Filtermittel (in Form von Aktivkohle oder aktivierter Pflanzenkohle)
  • Kosmetik & Arzneimittelzusatz (in Form von Aktivkohle oder aktivierter Pflanzenkohle)
  • Zuschlagstoff für Zementprodukte (verbesserte Materialeigenschaften, CO2-Speicherung)
  • Einsatz in Verbundwerkstoffen
  • Zuschlagstoff für Asphalt (CO2-Speicherung)

Aus Pflanzenkohle lässt sich in einem weiteren Verarbeitungsschritt die sog. „Terra Preta“ herstellen. Terra Preta ist Biokohle, die durch Vermischung mit Dung und Humus biologisch aktiviert, also mit Pflanzennährstoffen und Mikroorganismen aufgeladen ist. Mit Biokohle und Terra Preta können Sackwarenpreise von 1€ pro kg bzw. Liter im Einzelhandel erzielt werden. Eine weitere Anwendung der Pflanzenkohle kann die Nutzung  zur Entschwefelung in Biogasanlagen sein, um Korrosionsschäden durch Schwefelverbindungen an den Motoren und den Abgaswärmetauschern zu verhindern. Auch eine Steigerung des Gasertrages durch den Einsatz von Pflanzenkohle in Fermentern durch eine Reduktion der Ammonium-Hemmung  wurde durch Labor- und Praxisversuche belegt (3) (4).

Ökologie

Restbiomassen aus der Landschaftspflege werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in nennenswertem Umfang einer energetischen oder stofflichen Nutzung zugeführt. Dennoch würde sich die Nutzung aus Sicht der Landschaftspflege und des Naturschutzes zum Erhalt dieser Ökosystemtypen auf jeden Fall empfehlen (5). Werden diese Flächen nicht gepflegt (frühere Nutzung oft extensive Weidehaltung) drohen Verbuschung, die Umwandlung zu Ackerland oder Aufforstung (6). Werden die Flächen zwar gemäht, aber das Schnittgut nicht abtransportiert, droht eine Eutrophierung der oft mageren Standorte. Auch im Falle von Ufersäumen oder anderen Feuchtstandorten muss durch regelmäßige Pflege einem Zuwachsen oder einer Verlandung vorgebeugt werden, um diese sensiblen Bereiche zu erhalten (Gewässerunterhaltung). Insofern kann eine gesteigerte Wertschöpfung aus diesen Biomassen über die o.ä. Verfahren einen Beitrag zum Erhalt sensibler Bereiche der Kulturlandschaft beitragen. Wenn durch das Pyrolyseverfahren zusätzlich importierte Steinkohle durch Bio-Aktivkohle ersetzt werden kann, dann können auf diesem Wege zusätzlich Treibhausgasemissionen vermieden werden.

Betriebliche Umsetzung

Die Gewinnung von Festbrennstoffen und Pyrolysekohle aus Biogassilage ist bisher nicht über das Stadium von Versuchs- und Demonstrationsanlagen hinausgekommen. Aus Sicht der Bioökonomie und einer Kaskadennutzung von Biomassen machen diese Verfahren aber durchaus Sinn und werden daher auch nach wie vor untersucht und beforscht. Insbesondere der Produktion von Biokohlen mit ihren unterschiedlichen Anwendungsbereichen werden derzeit gute Absatzmärkte eingeräumt. Denoch ist natürlich zurzeit jede Investition in diese Technologien noch ein Schritt in das Handlungsfeld der Pioniere und sollte daher gut durchdacht und berechnet sein.

Praxisbeispiele

Eine Versuchs- und Demonstrationsanlage für die Gewinnung von Festbrennstoffen aus Silagepresskuchen der Firma getproject (siehe oben) steht in Borgstedt, Schleswig-Holstein. https://www.getproject.de/de/bioenergie/

Als gelungenes Beispiel für den Einsatz einer Pyrolyseanlage in der Landwirtschaft lässt sich der Hof Wies, der Fa. Keiser in der Schweiz nennen. Hier wird der feinere, ausgesiebte Staub von Hackschnitzel in der Pyrolyse unter Freigabe von Energie zu Pflanzenkohle gemacht. Mit der Abwärme werden wiederum die Hackschitzel selbst getrocknet. Der ausgesiebte Staub ist ein Abfallprodukt und könnte sonst nicht weiter verwertet werden. Die Pflanzenkohle findet als Kompostzugabe, Stalleinstreu und Bodenverbesserer ihre Anwendungsbereiche und dient zugleich als Kohlenstoffspeicher. Eine ausführliche Beschreibung hierzu findet sich u.a. auf den Seiten des Ithaka-Journals (Journal für Ökologie, Weinbau und Klimafarming) http://www.ithaka-journal.net/klimapositive-landwirtschaft

Insbesondere die in Dörth, NRW ansässige Firma Pyreg hat an verschiedenen Standorten in Europa, aber auch China, Indien und den USA bereits Anlagen installiert, die mit unterschiedlichen Einsatzstoffen betrieben werden. Ein Überblick findet sich hier: https://pyreg.com/de/unsere-erfolge/

Zum Weiterlesen

1.  Meier, D. Brennstoff aus Landschaftspflegegut [online], 2016. In: Energie aus Pflanzen, 2016, (4), 16-17. Verfügbar unter: https://www.uni-kassel.de/fb11agrar/fileadmin/datas/fb11/Gr%C3%BCnlandwissenschaft_nachwachsende_Rohstoffe/Dokumente/eap_2016-4_IFBB.pdf

2. Amtsblatt der Europäischen Union. Amtsblatt L 170, 62. Jahrgang, 25. Juni 2019 [Zugriff am: 10. März 2020]. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2019:170:FULL

3.  Gaul, T. Pflanzenkohle im Fermenter, 2019. In: Biogas Journal, 2019, (4), 32-34.

4.  Rödger, J-M.; Ganagin, W.; Krieg, A.; Roth, C; Loewen, A. Steigerung des Biogasertrages durch die Zugabe von Pflanzenkohle, 2014. In: Müll und Abfall, 2014, (9,13), 476-481. Verfügbar unter: https://doi.org/10.37307/j.1863-9763.2013.09.08

5.  Schoof, N; Luick, R.; Ackermann, A.; Baum, S.; Böhner, H.; Röder, N.; Rudolph, S.; Schmidt, T.; Hötker, H.; Jeromin, H. Auswirkungen der neuen Rahmenbedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik auf die Grünland-bezogene Biodiversität [online], 2019 [Zugriff am: 16. Oktober 2019]. Verfügbar unter: https://www.researchgate.net/publication/335580755_Auswirkungen_der_neuen_Rahmenbedingungen_der_Gemeinsamen_Agrarpolitik_auf_die_Grunland-bezogene_Biodiversitat_-_BfN-Skript_540

6.  Isselstein, J., T. Michaelis und G. Bellof. Fachforum Grünland. Grünland innovativ nutzen und Ressourcen schützen: Forschungsstrategie der Deutschen Agrarforschungsallianz. Stand 12/2015. Braunschweig: dafa Deutsche Agrarforschungsallianz, 2015. ISBN 978-3-86576-146-0.