Nahwärmenetzeffizienz verbessern

von Jan Kelch

Warum ist eine Effizienzsteigerung des Nahwärmenetzes interessant?

Durch Effizienzsteigerungen im Wärmenetz, wie z.B. verringerte Wärmeverluste oder eine Absenkung des Pumpenstrombedarfs, verringert sich der erforderliche Ressourcenbedarf (z.B. Biogas- oder Stromeinsatz) der Wärmebereitstellung. Wärmeverluste lassen sich bei Bestandsnetzen insbesondere durch eine Temperaturabsenkung des Nahwärmenetzes reduzieren. Die Excess-Flow-Analyse bietet ein einfaches Verfahren, um Hausübergabestationen zu identifizieren, die ein hohes Potential aufweisen, die Rücklauftemperatur des Gesamtnetzes zu senken. Dadurch können wirkungsvolle Effizienzmaßnahmen mit deutlich weniger Aufwand erkannt und umgesetzt werden.

Beschreibung der Handlungsempfehlung

Eine Steigerung der Effizienz ist bei Bestandswärmenetzen vor Allem durch die Absenkung der Netzvorlauf- und der Netzrücklauftemperatur oder einer der beiden Temperaturen erreichbar. Die Netzvorlauftemperatur wird zentral am Wärmeerzeuger durch den Netzbetreiber eingestellt. Anders ist es bei der Netzrücklauftemperatur, die sich in Summe aus den wärmenetzseitigen Rücklauftemperaturen und Volumenströmen in den Hausübergabestationen der einzelnen Abnehmer ergibt.

Im Wesentlichen lassen sich drei positive Auswirkungen einer Temperaturabsenkung unterscheiden.  Erstens besteht der grundsätzliche Vorteil einer Temperaturabsenkung (egal ob Vorlauf, Rücklauf oder beides) darin, dass die Leitungswärmeverluste aufgrund der verringerten Differenz zwischen mittlerer Temperatur der Wärmenetzleitungen und Umgebungstemperatur abnehmen. Zweitens kann die Rücklauftemperatur stärker abgesenkt werden als die Vorlauftemperatur und dadurch die Auskühlung des Vorlaufs erhöht werden. Dies bewirkt bei gleichbleibendem Wärmebedarf eine Abnahme des Gesamtvolumendurchsatzes im Netz, wodurch sich der Pumpenstrombedarf verringert. Gleichzeitig steht mehr Netzkapazität zur Verfügung, um weitere Abnehmer anzuschließen. Wird dagegen nur die Vorlauftemperatur abgesenkt, nehmen zwar die Wärmeverluste ab, jedoch auch die Netzkapazität. In der Regel werden in Bioenergiedörfern BHKWs ohne Brennwertnutzung betrieben, weshalb die Netztemperaturen sich so gut wie gar nicht auf die Effizienz der Wärmeerzeuger auswirken. Angesichts der erforderlichen Dynamik in der Energiewende ist es jedoch grundsätzlich denkbar, dass Bioenergiedörfer vermehrt ergänzende Wärmeerzeuger in Nahwärmenetze einbinden, bei Reinvestitionen von BHKWs Brennwerttechnik einsetzen oder die Biogasanlage stilllegen und andere erneuerbare Wärmeerzeuger die Nahwärmeversorgung übernehmen. Dann führt (drittens) eine Absenkung der Netztemperaturen bei vielen erneuerbaren Wärmeerzeugern sowie beim Einsatz von Brennwerttechnik zu einer Effizienzsteigerung.  Beispielsweise erhöht sich der Ertrag von Solarthermie sowohl mit abnehmender Vor- als auch Rücklauftemperatur des Netzes. Die Effizienz von Wärmepumpen nimmt mit sinkender Netzvorlauftemperatur zu, weil sich der Temperaturhub zwischen Wärmequelle und -senke verringert. Zudem wird das Potential erschließbarer Abwärmequellen durch eine Absenkung der Netztemperaturen gesteigert.  Zusammengefasst erhöht eine Absenkung der Netztemperaturen die Ressourceneffizienz und die Flexibilität, Wärmeerzeuger zu wechseln oder zu ergänzen und somit auch die Chance für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb des Wärmenetzes auf längere Sicht.

Die Netzvorlauftemperatur lässt sich nur so weit absenken, dass während der Heizperiode noch behagliche Raumtemperaturen erreichbar sind, eine Erwärmung des Brauchwassers auf 60°C zum Schutz vor Legionellen möglich ist und die Netzkapazität ausreichend hoch bleibt, um alle Abnehmer zu versorgen. Bei ländlichen Wärmenetzen für die (vorwiegende) Versorgung von Wohngebäuden ist mit Ausnahme von kalten Wintertagen, die eine höhere Vorlauftemperatur des gebäudeinternen Heizkreises und somit auch des Wärmenetzes erfordern, die thermische Brauchwasseraufbereitung bei 60°C in der Regel limitierender Faktor für die Absenkung der Netzvorlauftemperatur. Die Heizkreis-Vorlauftemperatur im Gebäude sollte in jedem Fall durch eine „gut abgestimmte Haustechnik“ (z.B. gut eingestellte Regler, ausreichend dimensionierte Heizkörper, hydraulischer Abgleich der Heizkörper etc.) auf ein sinnvolles Maß begrenzt werden. Eine aktuelle Studie des IFEU-Instituts zeigt anhand von Sanierungsbeispielen (z.B. Austausch ungünstiger Heizkörper) auf, wie sich in Bestandsgebäuden der erforderliche Jahresmaximalwert der Heizkreis-Vorlauftemperatur auf 55°C begrenzen ließe. Dadurch sollen Gebäude für den Umstieg auf erneuerbare Wärmeerzeuger vorbereitet werden, da in den allermeisten Fällen die erforderlichen Temperaturniveaus für die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt sowohl für dezentrale Wärmeerzeuger in Gebäuden als auch für den Anschluss an ein Wärmenetz mit zentraler Wärmeerzeugung.  Die Studie schlägt sogar vor, einen „Niedertemperatur-Ready-Standard“ für Gebäude einzuführen [1]. Das zeigt auf, wie wichtig es grundsätzlich für die Wärmewende ist, der Absenkung der erforderlichen Temperaturniveaus für Raumheizung und Trinkwarmwasser in Bestandsgebäuden mehr Aufmerksamkeit beizumessen.

Die Rücklauftemperatur auf Wärmenetzseite kann gesenkt werden, indem bei Abnehmern die Rücklauftemperatur der Haustechnik (Austrittstemperatur Hausübergabestationen sekundärseitig) verringert wird. Die Rücklauftemperatur der Haustechnik kann aus verschiedenen Gründen erhöht sein. Neben den bereits genannten Kriterien bezüglich der Haustechnik, sind noch weitere mögliche Fehlerquellen zu beachten, wie z.B. hydraulisch eingebundene Altkessel, fehlende bzw. defekte Rückschlagventile der Brauchwassererwärmung oder defekte Regelventile.  Durch die Behebung solcher Störungen in der Haustechnik ließe sich die Rücklauftemperatur netzseitig bei vielen Hausübergabestationen mit überschaubarem Aufwand verringern.  Zudem ist für einzelne Maßnahmen, wie z.B. den hydraulischen Abgleich, ein Zuschuss über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) möglich. Hier stellt sich für Bestandsnetze die Frage, bei welchen Hausübergabestationen sich die Suche nach Störquellen am meisten lohnt, um den Aufwand durch Hausbegehungen zur Bewertung der Hausübergabestation samt Haustechnik sinnvoll zu begrenzen. Als Orientierung können z.B. die Hausübergabestationen mit den höchsten wärmenetzseitigen Rücklauftemperaturen gewählt werden. Da jedoch auch der wärmenetzseitige Volumendurchsatz einen Einfluss auf die Höhe der Gesamtnetzrücklauftemperatur hat, bietet sich die Excess-Flow-Methode an, da sie beides berücksichtigt, die Rücklauftemperatur und den Volumendurchsatz jeder Hausübergabestation.

Excess-Flow-Methode

Ist die Netzrücklauftemperatur eines Bestandsnetzes im Jahresdurchschnitt auffallend hoch und es sollen Hausübergabestationen mit einem möglichst hohen Potential zur Senkung der Netzrücklauftemperatur identifiziert werden, dann kann die Durchführung einer Excess-Flow-Analyse dabei helfen. Für die Anwendung der Methode sind die Wärmeabnahme und der Volumendurchsatz aller Abnehmer jeweils für den gleichen Untersuchungszeitraum erforderlich. Hierfür bieten sich Jahreswerte an, um den gesamten Jahreszyklus in der Bewertung zu berücksichtigen. Als Vergleichsgröße der Stationen wird der sogenannte Excess-Flow herangezogen, was mit „überschüssiger Volumendurchsatz“ übersetzt werden kann. Der Excess-Flow entspricht der Differenz zwischen dem Volumendurchsatz im aktuellen Betrieb (gemessener Jahresvolumendurchsatz) und dem Volumendurchsatz bei idealer Auskühlung des Wärmetransportmediums innerhalb der jeweiligen Station (TVorlauf,netzseitig -TRücklauf,netzseitig).  Bei der Excess-Flow-Analyse kann wie folgt vorgegangen werden, wobei die Durchschnittswerte sich immer auf den Zeitraum beziehen sollten, für den die Messwerte (Jahreswärmeabnahme und -volumendurchsatz aller Abnehmer) vorliegen:

In der folgenden Abbildung ist das Ergebnis einer Excess-Flow-Analyse für ein ländliches Wärmenetz dargestellt. Die aufgeführten Punkte geben den jeweiligen Excess-Flow einer Hausübergabestation an, wobei die Stationen so sortiert sind, dass der Excess-Flow von links nach rechts abnimmt (Excess-Flow-Ranking). Alle roten Punkte sind Stationen, welche die ideale Auskühlung von in diesem Fall 20°C nicht erreichen, nur bei den wenigen grünen Stationen entspricht die Auskühlung 20°C oder mehr. Die schwarze Linie veranschaulicht, wie die Rücklauftemperatur des Gesamtnetzes abgesenkt wird, wenn die Stationen von links nach rechts die ideale Auskühlung von 20°C erreichen. Die Abbildung macht deutlich, dass je höher der Excess-Flow einer Station ist, desto höher auch das Potential ist, die Rücklauftemperatur des Gesamtnetzes abzusenken. Beispielsweise ließe sich in diesem Fall mit den 20 auffälligsten Stationen bereits die Rücklauftemperatur des Gesamtnetzes im Idealfall um etwa 5 °C absenken, während es bei ca. 70 Stationen etwa 10°C wären.

Excess-Flow-Ranking für ein ländliches Wärmenetz unter Annahme einer idealen Auskühlung von 20°C

Stand der Entwicklung

Die Excess-Flow-Methode wurde Anfang der 2000er Jahre entwickelt [3] und eignet sich als praktisches Hilfsmittel für Wärmenetzbetreiber, um mit überschaubarem Aufwand kritische Hausübergabestationen zu identifizieren. Sie bietet einen einfachen Einstieg ins Wärmenetz-Monitoring, das im Zuge der Wärmewende zunehmend an Bedeutung gewinnt, um vorhandene Kostensenkungspotentiale erkennen und erschließen zu können.

Rechtliche Situation

Häufig sind die Fehlerquellen, welche hohe Rücklauftemperaturen auf der Wärmenetzseite begünstigen, bei der Gebäudetechnik (Regelung, Wärmeverteilung etc.) zu finden, welche zum Eigentum des Anschlussnehmers gehört. Ein Vorteil bei Bioenergiedörfern ist, dass sich der Netzbetreiber und die Anschlussnehmer persönlich kennen. Dadurch sind die Anschlussnehmer eher bereit nützliche Maßnahmen freiwillig umzusetzen als es bei großen Fernwärmenetzen der Fall wäre, insbesondere wenn diese Maßnahmen auch direkte Vorteile für den Anschlussnehmer mit sich bringen (z.B. Energieersparnis bei hydraulischem Abgleich).

Wirtschaftlichkeit

Die Kosten für die einzelnen Maßnahmen können je nach individuellen Rahmenbedingungen variieren. Für den hydraulischen Abgleich in einem Einfamilienhaus betragen die Kosten grob 1.000 € vor Förderung [4]. Je nach Ausgangslage werden hierbei voreinstellbare Ventile sowie eine effizientere Pumpe nachgerüstet.

Betriebliche Umsetzung

Wärmenetzbetreiber können die Excess-Flow-Analyse selbstständig durchführen, wenn bei allen Anschlussnehmern neben der Wärmeabnahme auch der Volumendurchsatz ausgelesen werden kann. Hierfür kann die Anleitung (s. oben) als Orientierung dienen.

Ökologie

Verringerte Netztemperaturen erleichtern den Zugang für erneuerbare Wärmeerzeuger und bereiten somit den Weg für eine klimaneutrale Wärmebereitstellung und einen langfristigen Weiterbetrieb des Wärmenetzes. Eine Effizienzsteigerung im Netz, wie z.B. verringerte Wärmeverluste oder eine Absenkung des Pumpenstrombedarfs, führt zu einem verringerten Ressourcenbedarf (z.B. Biogas- oder Stromeinsatz) bei der Wärmeversorgung. Falls sich der BHKW-Betrieb jedoch vorrangig an einer fixen Jahresstromproduktion orientiert (Bemessungsleistung), um die Förderung zu maximieren, kann es auch sein, dass eine Verbesserung der Wärmenetzeffizienz kein Biogas einspart. Die Jahresstromproduktion der BHKWs steht dann bereits fest und damit auch der Biogaseinsatz.

Praxisbeispiele und Kontaktdaten

Altenmellrich: Das Bioenergiedorf Altenmellrich wurde im Zuge des Projektes „Perspektiven Bioenergiedörfer“ als Reallabor begleitet und in diesem Zusammenhang auch eine Excess-Flow-Analyse über mehrere Jahre durchgeführt. Als erste Maßnahme wurden an fünf der Stationen mit auffallend hohem Excess-Flow die Rücklauftemperatur-Begrenzer an den Hausübergabestationen durch den Netzbetreiber neu eingestellt und im Folgejahr der Excess-Flow erneut für alle Stationen berechnet. Es zeigte sich, dass die vorgenommenen Anpassungen bereits zu einer Verringerung des Volumendurchsatzes im Netz von rund 21.000 m³/a führen, was etwa 10 % des Jahresvolumendurchsatzes im Netz entspricht. Durch die Begehung besonders auffälliger Hausübergabestationen und Auslesung von Wärmemengenzählerdaten konnte ein defektes Ventil identifiziert werden. Es wird vermutet, dass ein nicht optimaler hydraulischer Abgleich beim Großteil der Wärmeabnehmer und die hydraulische Einbindung von Altheizungen zur Regelung auf Gebäudeseite bei fast der Hälfte aller Abnehmer Hauptursachen für die hohe Netzrücklauftemperatur sind.

Kontakt: www.altenmellrich.de/regenerative-energien/nahwaermenetz.html

Zum Weiterlesen

[1]: IFEU. Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien im Gebäudebereich [online], 2021, https://www.ifeu.de

[2]: IEA District Heating and Cooling. Improvement of operational temperature differences in district heating systems (Annex VII) [online], 2005, https://www.iea-dhc.org

[3]: University of Kassel; Lessons learned from excess flow analyses for various district heating systems [online], 2021, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666955221000058

[4]: Hydraulischer Abgleich: Kosten und Vorteile der Maßnahme [online], Juli 2021, https://heizung.de/heizung/tipps/hydraulischer-abgleich-und-seine-kosten/